Winter kam mit der Nacht, hält sich rauh und glänzend auf den Dächern. Etwas mehr Licht heute, die Glocken der Kirchen etwas lauter, das Schweigen der Höfe dichter. In jenen Tagen spürt man plötzlich, wie klein der Rest des Jahres wurde, wie schnell die Stunden fließen. Atmen vor dem Spiegel, die Schultern fallen lassen und trotzdem nur kurz Leichtigkeit spüren. Kaltes Wasser, heißes Wasser, Kaffee. Und eine rote Kerze, für den Morgen und das Leise in ihm. Habt es mild heute!
(Träume der Nacht am offenen Fenster ausschütteln, sorgsam falten und in ihrer Schublade verstauen. Es hilft, zumindest einigen davon einen nicht ganz so verschlissenen Zustand zu bewahren. Kirchen rufen, im Hof diskutieren Vögel ihre kleinen Themen im großen Ganzen. Der Bäcker öffnet die Türen und schiebt den Aufsteller auf den Weg, der für Adventsgebäck und Glühwein wirbt. Kurzes Sinnieren über alternative Frühstücksmöglichkeiten, aber schlussendlich dominiert das Gewohnte. Kaffee, Obst, ein paar Kerzen. Die Stadt kommt wieder zu sich. Habt es mild heute!)
Sonntagmorgen, dann, unterwegs über rauhen Asphalt in ebenso rauher Luft, Kirchglocken und die Rufe früher Vögel von hinter den Bäumen, und nur ganz langsam nimmt man die wache Realität wieder als solche wahr. Frösteln unter zu dünner Jacke, auf den Steinen liegt Reif und irgendwo in anderer Ferne beginnt gerade erst die Nacht. Brötchen, zum Kaffee. Erste vorsichtige Höflichkeiten, so ruhig und sicher, wie es die Stunde eben erlaubt. Irgendwann findet man immer wieder zu sich, wenn die Dunkelheit weicht. Habt es mild heute!
(Weiterblättern. Aufgeschreckt, nicht verschlafen, nicht wach, immer wieder erstaunt, wie viel Zeit es mitunter braucht, sich selbst neu an der Realität auszurichten. Bilder und Geister im Halbdunkel zurücklassen, darauf harrend, dass der Morgen sichtbar werden mag. Noch kein Kaffee, Kinderlieder nebenan, eine Ahnung von Nebel über den Höfen. Die eigenartige Atmosphäre früher Sonntage. Habt es mild heute.)
Sonntag, früher Morgen, Nacht immer noch in den Gliedern. Sohlen berühren Asphalt, andere Route als sonst. Krähen und Misteln im Straßenbaum. Dafür weniger Plakate, weniger kaum unterdrückte Wut entlang der Strecke. Fahrzeugbewegungen. Linienmaschinen, Kurs südwärts. Nachbarn auf dem Gehweg, mit und ohne Hunde. Vor dem ersten Kaffee hat der Tag weder Farbe noch Stimmung, und die Form in jedem Kontakt braucht eine ganz eigene Kraft. Passt auf Euch auf heute.