Entlang der Straße. Oktoberlicht lügt Wärme in den Mittag, aber über dem Horizont ziehen die nächsten Schauer ins Land, in die Stadt. Voll und schnell die Strecke, wer kann, übt Rücksichtslosigkeit gegen alle anderen, weil es eben geht, und weil das Freiheit ist. Tropfen auf der Scheibe, Radiostimme im Ohr. Es gibt insgesamt Erfreulicheres während dieser Wochen. (Aber zumindest duftet es aus dem Kofferraum nach Äpfeln, und an den Schuhen klebt noch etwas Erde der Almen. Etwas zum Mitnehmen in den normalen Takt.)

Etwas Grau rinnt auch immer durch die kleinen Städte und ihre Gassen. Dort, wo man Häuser und Plätze wiedererkennt, aber die Menschen nicht. Dort, wo alles in einer irritierenden Weise Verlorenheit ausstrahlt, wo man vieles hinterfragt - immer wieder die eigenen Privilegien, und auch, bei wie vielen Tätowierern die künstlerischen Ambitionen Opfer der Umstände und Kunden wurden. (Zurück zum Dorf, auf Schleichwegen. Sackgassen und gesperrte Landstraßen überall, und viel mehr Symbolik gelingt kaum...)

Immer führt irgendwo ein Steig in einen Berg. Das Moos am Rand ist weich und trocken und voller Sommer. Weiße Steine, weißer Staub unter den Füßen. Ab einem Punkt, ab einer Höhe scheint man dann immer allein mit sich, den eigenen Schritten, dem Atem, dem Puls. Äste knacken. Vögel kreisen. Gipfelkreuze, vom Wind zerrissene Fahnen, die Stille weit über Allem erfüllt die Seele. Und man lernt etwas mehr über sich, auch in diesem Aufstieg. 

Der Berg wollte keine Gäste an diesem Herbsttag. Er zieht den Pfad mürrisch in die Länge, wirft mit trockenen Zapfen, lässt wieder und wieder jenen Wind in die aufsteigende Schneise fliegen, der sich als fernes gewaltiges Summen ankündigt, nach und nach die Bäume bis zum letzten Blatt erfasst und schüttelt, Staub und Nadeln in Haare, Gesicht, Augen wirft und sich dann langsam und wispernd in den Steinen verliert. Wolken ballen sich über den Graten, raunen vom Wetterwechsel. Auch heute bleibt die Tür verschlossen, spät im Jahr. Und so packt man Wasserflasche, Kekse und alle anderen Siebensachen und richtet die Schritte wieder talwärts, trotzdem dankbar für die zeitweilige Duldung. 

Am Weg, auch: Häuser mit schmutzroten Dächern. Kühe verstreut über weite Wiesen. Dunkle Silhouetten am Horizont, ein überdimensionaler Jesus unter gelbbrauner Dorflinde. Und Häuser, die sich im Leeren fast verschüchtert an Kirche und Dorfgasthof kuscheln. Kaum Menschen im sonnigen Grün. (Betriebsmodus wechselt erst mit dem Ankommen: Wenn alle Formalitäten erledigt sind, das Gepäck umgeräumt, die andere Tür das erste Mal schließt, lässt das Nervöse nach, wird das eigene Rauschen stiller, der Moment präsenter. Einzelne Boote auf dem See, schneelose Berge verschwinden in Wolken. Einmal mehr das seltsame Gefühl, zurückzukehren in eine andere Fremde, die trotzdem tief heimisch wirkt.)