Frühmittag. Innehalten für einige Minuten, andere Bewegungsabläufe üben, die Augen geschlossen, spüren, wie Muskeln spannen und Gelenke knacken. Der gefühlte Tag zieht über die Stadt wie ein ungestümer Herbstwind; dass Äste und Zweige der Bäume gegenüber reglos ruhen, die sonst bei kleinsten Böen singenden Regenrinnen und Dachbleche schweigen, irritiert und bringt die eigene Verortung im Jetzt kurzzeitig aus dem Tritt. Für den Moment: Notizen abarbeiten. Faden um Faden aus dem Knäuel des Morgens ziehen. Benachrichtigungen verschieben, in leere Postfächer starren. Ganz gleich, ob Kaffee oder Licht oder frische Luft: Noch nicht die richtige Balance gefunden, heute, bislang. 

Etwas weiter: Sonne an hohem blassen Himmel, Wind im golden leuchtenden Laub, Mittag und kein Kuchen. Postbote auf großem Fahrrad, die Nachbarn gegenüber verschenken Geschirr und Kleidung in Kisten auf dem Bürgersteig, daneben liegen alte Videokassetten mit Filmen, deren Existenz man längst verdrängt hatte. Die Baustelle ruht. Einige Arbeiter fahren mit rostigen, schmutzstarrenden Transportern vom Gelände. Reflektionen fließenden Verkehrs in Schaufenstern. Der Kneipenwirt besetzt seinen alten Campingstuhl, grüßt die Nachbarn freundlich und raucht. Wenige Schritte durch das Viertel, bis der Tag wieder nach Hause drängt. Zu sehr im Schwung, um Entschleunigung zu denken.

Kontinuität, auch: Gelegentlich sind Gerüche drängender, intensiver in der Wahrnehmung, auch wenn die Welt augenscheinlich diesselbe ist. Etwa der Duft des Wassers und der Pflanzen, den der Hinterhof über den Springbrunnen eingeschlossen hält. Der Duft von Zigarettenrauch neben der Eingangstür, immer begleitet von Tiraden gegen die unseligen Raucher. Der Geruch von alten Häusern, feuchtkalten Steinen und Baustellenstaub gegenüber, wo die Hämmer und Brecheisen Altes für Neues beseitigen. Der Duft herbstlicher Feuer über den flachen Lauben der Stadtgartensiedlung. Der Hauch von gebratenen Zwiebeln und Frittierfett, den der Imbiss aus klappernden Schlitzen bläst. So schwindelerregend und überfordernd, so beruhigend trotz allem im Vertrauten des Alltags und seiner Wege durch die anderen Nachbarschaft. (Pflaumenkuchen und ein freundlicher Gruß. Fallende Kastanienblätter in gelb und braun. Knappe Spuren von Sonne über den Fassaden.)