Hinter den Stunden kämpft der Supermarkt des geringsten Misstrauens mit relativen Zeitangaben: Die neuen Kollegen des Vorjahres sind jetzt die alten Neuen. Die neuen Neuen wuseln zwischen den Regalen, stolpern über Warenträger und leere Kartons und suchen die richtigen Fächer, die richtigen Schilder, ihr Selbstvertrauen und den Feierabend. Über die Lebkuchen und Spekulatius hinaus steht jetzt auch der Winterhopfen in den Kästen; auf kaltblauen Etiketten tragen Arbeiter in roten Kutten Fässer durch eine verschneite Nacht. Ein mittelalter Herr im abgegriffenen Büro-Anzug lernt den Mindestbetrag für Kartenzahlung, packt dafür kurz entschlossen eine Flasche Korn aufs Band, die verstörten Blicke von Frau und Kind scheinbar übersehend. Dann schließen die Türen, Lichter erlöschen. Kalter Erntemond strahlt über den Flachbau. Der Tag verweht.

Wieder im Viertel, wieder über der Straße, darauf wartend, dass der Mond es um die Häuser schafft. Laub von Efeu und Flieder aus den dünnen Haaren gestrichen, die rauhen Hände gewaschen. Alle Etappen absolviert seit dem Morgen, zumindest mental eine beträchtliche Strecke zurückgelegt, und irgendwann die letzten Meter um die Ecken des eigenen Blocks geschlichen, Stadt und Laub unter den Füßen, Blumen in der Hand, eine Kastanie und einen Gartenstein in der Tasche. Unten klappern Roller über die holprige Fahrbahn, zittrige Lichtpunkte auf ihrer Route zur anderen Seite des Flusses. Ein Telefon klingelt hinter der Wand, der junge Mann gegenüber lebt mit schweren Kopfhörern im Bildschirmzwielicht eines sehr begrenzten Raumes. Nur in kaum wahrnehmbaren Schritten findet auch die leere Wohnung wieder zurück zu neuem Leben - eine Kerze flackert in verstörend gleichmäßigem Muster zwischen halb geschlossenen Jalousien. Auch dieser Abend findet sich irgendwann, wenn man genügend Geduld und genügend weiche, warme Decken mitbringt.

Im anderen Supermarkt ist der Abend kalt und kahl. Weitläufige Gänge unter Metallhimmel, man hat Raum, sich aus dem Weg zu gehen, und tut es auch. Je wohlhabender das Klientel, desto distanzierter und abgrenzender, so scheint es. Die Kasse zählt schnell hoch, ohne dass das Band merklich leer wird. Und dann treibt irgendeine Musik durch die Flure, nie gehört, berührt trotzdem, nimmt einen kurz weit fort, ohne zu wissen, wohin oder warum, aber es ist schön. Ein Augenblick nur. Dann rollt der volle Wagen zum Ausgang, die Dämmerung legt sich über leere Parkplätze, Tag verblasst.