Andere Kreuzung. Innehalten unter einem hohen Dom aus Frühlingsgrün. Die neuen wütenden Graffiti ignorieren, die die alte Wut überdecken. Und einmal mehr lernen, erstaunt, dass es Musik gibt, die sich an Orte und Wege bindet und abseits davon nur schlecht funktioniert.
Andernorts. Rückkehr in den kleinen Park, zwischen leisen Wohngebieten und kleinem Fluss. Am Hang, etwas verwinkelt, etwas verwunschen und nur vor der Dämmerung einsam, ohne gleichzeitig bedrohlich zu wirken. Silhouette von Industrie hinter den Bäumen, in der anderen Richtung Wald. Die Bank ist hart, blickt auf einen trockenen Tümpel voller graubraunem Schilf. Nebenan kehren Menschen heim, werden Türen geschlossen, bellen Hunde. Im Geiste laufen noch die verschiedenen Programme, die der Morgen gestartet hat, durcheinander und unsynchronisiert. Im Wechsel der Themen verrinnen Zeit und Kraft, und es braucht lang, dieses Treiben wieder zu bremsen.
Fernkonferenzen unter Wolken, warme Sonne auf den Pflastersteinen, etwas Wind in trockenen Büschen am Ufer des langsam strömenden Flusses. Laternenlicht, gesehen durch einen feuchten dichten Schleier, während der Mittwoch schon wieder seine Sachen packt. Etliche Stunden und Wetter weiter, ein ungewöhnliches Gefühl von April in allem, nur die großen gelben Blätter, die dann und wann über die Scheiben streichen, ordnen die Seele in die Zeit. Gegenüber schläft die Katze am Fenster, hier rumpelt die Heizung. Das Viertel zündet Kerzen an, lässt Wasser in Badewannen. Wer irgendwie loslassen kann, tut es.
Hinter den Stunden kämpft der Supermarkt des geringsten Misstrauens mit relativen Zeitangaben: Die neuen Kollegen des Vorjahres sind jetzt die alten Neuen. Die neuen Neuen wuseln zwischen den Regalen, stolpern über Warenträger und leere Kartons und suchen die richtigen Fächer, die richtigen Schilder, ihr Selbstvertrauen und den Feierabend. Über die Lebkuchen und Spekulatius hinaus steht jetzt auch der Winterhopfen in den Kästen; auf kaltblauen Etiketten tragen Arbeiter in roten Kutten Fässer durch eine verschneite Nacht. Ein mittelalter Herr im abgegriffenen Büro-Anzug lernt den Mindestbetrag für Kartenzahlung, packt dafür kurz entschlossen eine Flasche Korn aufs Band, die verstörten Blicke von Frau und Kind scheinbar übersehend. Dann schließen die Türen, Lichter erlöschen. Kalter Erntemond strahlt über den Flachbau. Der Tag verweht.
Wieder im Viertel, wieder über der Straße, darauf wartend, dass der Mond es um die Häuser schafft. Laub von Efeu und Flieder aus den dünnen Haaren gestrichen, die rauhen Hände gewaschen. Alle Etappen absolviert seit dem Morgen, zumindest mental eine beträchtliche Strecke zurückgelegt, und irgendwann die letzten Meter um die Ecken des eigenen Blocks geschlichen, Stadt und Laub unter den Füßen, Blumen in der Hand, eine Kastanie und einen Gartenstein in der Tasche. Unten klappern Roller über die holprige Fahrbahn, zittrige Lichtpunkte auf ihrer Route zur anderen Seite des Flusses. Ein Telefon klingelt hinter der Wand, der junge Mann gegenüber lebt mit schweren Kopfhörern im Bildschirmzwielicht eines sehr begrenzten Raumes. Nur in kaum wahrnehmbaren Schritten findet auch die leere Wohnung wieder zurück zu neuem Leben - eine Kerze flackert in verstörend gleichmäßigem Muster zwischen halb geschlossenen Jalousien. Auch dieser Abend findet sich irgendwann, wenn man genügend Geduld und genügend weiche, warme Decken mitbringt.