Unterwegs durch denselben Baustellenlärm an einem anderen Mittag. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens dankt die einzige festangestellte Mitarbeiterin den jungen Praktikanten, die es geschafft haben, alle gelieferten Waren in alle Regale zu räumen. Ein grauer Dutt wandert über dickem Pelzmantel durch die Gänge, beides gehört zu einem älteren Herrn, der sich ebenso enthusiastisch wie planlos müht, seinen langen Einkaufszettel abzuarbeiten, bislang aber nur Porree und Salzstangen in seinem Wagen fährt. Die Auslagen mit Gemüse und Blumen stimmen genau so trübsinnig wie das Regal mit der Tagespresse, und viel davon scheint auf die Zeitgenossen unter dem Neonhimmel abzufärben: Manchmal erzeugt ein Lächeln ein Lächeln, aber manchmal verschwindet ein Lächeln in seinem Echo. (Bezahlen, Türen öffnen und schließen lassen, den Wolken zunicken. Es darf weitergehen.)

Nach dem Mittag: Kirschkuchen und alte Rituale. Immer noch weitestgehend leer die Flure und Zimmer, heute hat das Rauchen auf der Terrasse augenscheinlich auch keinen sozialen Charakter. Gegenüber schleppt ein buckliger Bote schwere Pakete in den großen Besprechungsraum, in der Küche direkt nebenan starrt ein junger Mitarbeiter bei Mikrowellen-Essen in den hellgrauen Stadthimmel. Spiegelungen auf ruhenden Springbrunnen. Keine passende Musik im Augenblick.

Wieder halb durch den Tag, alles fühlt sich noch früher als sonst an. Einige Punkte fallen aus der Liste, das Gros der berührten Themen indes ist langwierig und zäh. Nebenan diskutiert ein Entwickler einen komplexen Fehler, und im weitestgehend leeren Raum bleibt sein Geheimnis, dem die Erklärungen genau gelten. Bürohund schläft vor seiner Zimmertür, lässt sich die letzten der heutigen Sonnenstrahlen über das Fell wandern, ignoriert klingelnde Telefone und Vorübergehende geflissentlich. Einige Schreibtische weiter singen Lüfter der schweren Maschinen in einem eigenartigen, schiefen Chor. Noch kein Glühwein, aber zumindest Aprikosenkuchen. So geht es wohl auch.

Zwischen den Häusern, zwischen den Stunden. Es regnet. Gelegentlich fühlen sich die Schritte weich und leise an, dann findet man letzte dunkelbraune Haufen nassen Laubs, wieder freigelegt vom geschmolzenen Schnee. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens wird im Kassenbereich gebaut, nur ein Band ist frei, die Schlange lang wie selten, und es zeigt sich: Rücksichtslose Arroganz kennt kein Alter, kein Geschlecht, keine soziale Gruppen. Der junge Kassierer reagiert zunehmend genervt auf jede Frage, warum denn alles so lang dauert. Weiter hinten wird über die Raucher und Trinker geschimpft, weil im Gang Wägen mit Zigaretten und Fusel stehen und irgendwer wohl dort die Ursache des Wartens ausgemacht hat. (Und ja, dort, wo ehedem Süßigkeiten Kinder am Ausgang fangen sollten, werden die Warenträger größer, die Flaschen kleiner, die Getränke hochprozentiger, vis-a-vis der Auslagen mit Boulevard-Magazinen und Tagespresse. Vielleicht gibt es ja verborgene Zusammenhänge.)

Später: Auflegen, Durchatmen, Anspannung erst einmal lösen. Notizen in Form bringen, bevor die erratischen Kurven der eigenen Handschrift ihre Bedeutung unwiederbringlich verlieren. Unten auf der Straße zieht eine Grundschulklasse vor dem großen Tor vorüber, für kurze Momente fluten geballte aufgeregte Freude und ungebremstes Geplapper über den Beton, werden vielfach von den grauen Wänden zurückgeworfen, verklingen schließlich im hohen Dunst des sich aufheizenden Mittags. (Dann: Kurze Auszeit. Kuchen als anderes Ritual, bevor der Takt wieder schneller schlägt. Noch genügend Blau zwischen hier und dem Abend.)