Aufwachen im dunklen Blau, mit erster vorsichtiger Dämmerung unter zerrissenem Himmel. Langer Blick in den Spiegel, danach langer Blick auf den Bildschirm, beides ohne Reflektionen, denen Enthusiasmus entspringt. Da klebt noch viel Müdigkeit an allem. Im Treppenhaus schlägt eine Tür, Schritte eilen abwärts. Der Wasserkocher sprudelt, schaltet ab, überlässt die Küche wieder früher Stille. Kondenswasser rinnt von alten Fließen. (Also Kaffee. Und ein langes Innehalten, mit der heißen Tasse in den Händen, den Tagesplan schon grob im Kopf. Immer fünf Minuten vor einem neuen Anfang. Habt es mild heute!)

Immer zu spät für das Gewissen, immer zu früh für die Seele: Von den nächtlichen Träumen ablassen. Fenster weit öffnen, das Abgestandene, Gestrige hinaus in die Welt zwischen Park und Fluss zu scheuchen. Gesicht unter kaltes Wasser halten, bis die Sicht auf die Dinge wieder klarer wird. Selbst heute klingelt irgendwo ein Wecker, fallen Autotüren ins Schloss, klappert Geschirr in erwachenden Küchen. Seltsames Gefühl, den Kragen hochzuschlagen in einer Dämmerung, deren Kälte nicht den Erwartungen, Befürchtungen entspricht. Vorsichtige Schritte, fast verstohlen, wie um niemanden zu wecken, oder um selbst nicht gehört zu werden. Noch nicht wirklich bereit für Aufeinandertreffen, für Berührung mit fremden Gedanken. All das darf noch werden. Später. Wenn die Zeit reif ist. Habt es mild heute!

Offenes Fenster, neuer Morgen, nahtloses Anknüpfen an alles, was auch diese Nacht überdauert hat. Die Krähen an der Kreuzung diskutieren ihre Donnerstagspläne. Unten klappern Stöckelschuhe über hartes Pflaster, ein Fahrdienst blinkt in zweiter Reihe. Luft von den Uferwiesen, die sich indifferent, kühl in den Raum schleicht und nach Nebel und Wasser schmeckt. Hinter den Blöcken klingelt die Straßenbahn, die Eckhäuser werfen erstes Licht auf die noch weitestgehend leere Straße. (Wie gehabt: Kaffee kochen. Die kratzigeren Träume aus Antlitz und Bewusstsein zu waschen versuchen. Häkchen an kleinere Aufgaben setzen. Und dann noch ein wenig das allgemeine Verblassen letzter Dunkelheit beobachten. Habt es mild heute.) 

Neuer Morgen und immer noch Nebel. Entscheidungen treffen, Komfortzonen verlassen, Unbequemes üben. Etwa, heute: Blicken ausweichen. Aufmerksamkeit meiden. Versteckt bleiben in einer mäßig besetzten Bahn, die nur an kritischen Stellen schnell über die Gleise schrammt. Das eigene Verschlafene erst loslassen, als die Fahrstuhltüren schließen und sich jenes eigenartige Druckgefühl ausbreitet, das man immer nach oben mitnimmt. (Auch: Zweiter Kaffee im Büro. Küchengespräche. Und die Wahrnehmung an sich selbst, Dinge nicht zu tun, weil Notwendigkeit gegeben ist, sondern weil sie Kollegen helfen. Immerhin. Habt es mild heute!)

Erste Bilder des Freitags: Immer noch Nacht über den Dächern. Regen schlägt viele kleine Wellen auf dem Vordach, die sich konzentrisch ausbreiten, ineinanderlaufen, die Spiegelbilder der wenigen morgendlichen Lichtpunkte in seltsamen Reigen tanzen lassen. Die Fassade gegenüber schläft heute noch, so weit das Auge blicken kann. Unten findet der Zeitungsbote seinen Weg, klappert umständlich mit Schlüsseln, verschwindet kurz in einem dunklen Haus und schiebt seinen Wagen dann weiter, flusswärts. (Erster Kaffe. Staunen, immer wieder, wann der Drucker warum zu Aktivitäten erwacht. Die zurechtgelegten Lesezeichen anfassen und warten, dass sich die frühe Realität wieder darum sammelt. Dann kann der Morgen langsam beginnen. Habt es mild heute!)