Einige unruhige Träume weiter speist sich Morgen aus den digitalen Fenstern, die am Vorabend nicht geschlossen wurden: Belanglose, aber laute Artikel, ein Bild in Großformat, Musik, die darauf wartet, abgespielt zu werden. Einige Tickets, unvollständige Dokumentation. Zumindest dieses Aufräumen gelingt schnell, aber damit sind viele Themen unterbewusst erst einmal wieder da, wach, hinterlassen ihr Echo, noch bevor andere Klänge sich Weg durch das Vordämmerungsdickicht in die gähnende Aufmerksamkeit bahnen können. Ferner: Vase auf dem großen Tisch zurechtrücken. Stoßlüften, Katze erschrecken. Einen schnellen Kaffee ansetzen, für den Start. Und ein wenig von der Formlosigkeit der Stunde genießen, so lang sie andauern darf. Habt es mild heute!   

Zeitlos in einem weiteren Dorfmorgen. Viel Nachhall, viel Unruhe, Aufbruchstimmung und Schwermut, Fernweh und Hoffen auf gewohnte Routine. Sinnieren über Privilegien, Notwendigkeiten, Pflicht und Ziele. Zu viel, viel zu viel für die mentale Kapazität der Stunde. Nebel am Horizont, eine Schicht großer Wassertropfen auf Steinen und Scheiben. Eisig das Wasser, Meisen und Kleiber im Futterhaus, Müdigkeit vor dem ersten Kaffee. Zeit im Fluss. Habt es mild heute!

(Wach, viel zu früh. Keine Träume, derer man sich erinnern könnte, aber jede Menge irritierende Gefühle, wenn man hinter bestimmte mentale Ecken schaut. Unten ist Bademorgen und noch sind die Kinder klein genug, derlei Gegebenheiten durch pure Weisung anzunehmen. Jemand hustet laut und so rauh, dass schon das Zuhören schmerzt. Bäcker, Obst, Kaffee. Genug Aufgabe für den Moment. Die Reihenfolge der Dinge zählt, auch an Wochenenden. Habt es mild heute!)

(Andere Morgenrituale: Dusche, erst zu heiß, dann zu kalt. Gespenster verjagen. Abgeschiedenheit des fensterlosen Bades. Stille im Haus, aber eine Ahnung anderer wacher Etagen, weil der Wasserdruck immer wieder beträchtlich schwankt. Den Kalender durchgehen, mit innerem Auge, die Blöcke einordnen und die Grenzen, die spärliche Leere dazwischen. Wünsche und Erwartungen nebeneinanderlegen, das Mögliche erfühlen. Dann Küchenkaffee. Knappes Frühstück. In die Spätnachtruhe der Höfe lauschen. Unsicher, ob die östlichen Dächer schon Dämmerung hinter sich wissen, ob der Freitag überhaupt schon begann. Habt es mild heute!)

Wieder am anderen Ende der Nacht. Den Regen hören. Den Regen spüren, den der Wind des Morgens auf den alten Fußboden geworfen hat. Fenster schließen. Wasserkessel aufsetzen. Schrittweise und langsam gerade so viel von der Wirklichkeit erhellen, wie unbedingt erforderlich ist, um aus dem kurzen Schlaf heraus zu sich zu finden. Blick in den dunklen Hof, dann in den hellen Kühlschrank. Gähnend. Radiostimmen immer schneller verstummen lassen, weil die besprochenen Lücken zwischen der Musik spürbar fordern. Stattdessen Warten auf die verschiedenen Geräusche der erwachenden Stadt, aber bisher scheint das Quartier noch unwilliger als sonst, in seine Routinen zu starten. (Kaffee. Post. Knappe Notizen. Halb vor dem Aufbruch auf den Kurs des Tages. Habt es mild heute!)