Was unsortiert blieb: Noten aus ersonnenen Melodien, die nicht zu Papier fanden. Code, der ausgemustert wurde, weil seine Aufgaben sich in Zeit und Prioritäten auflösten. Vorsätze bezüglich Selbstorganisation und Struktur, gelegentlich zu Beginn von Wochen oder Monaten gefasst, um dort anzusetzen, wo man sich selbst schwach und nachlässig fühlt, und die trotzdem zwischen dem Sand verschwinden, der sich von den Stunden reibt. Reisebilder imaginärer und realer Orte, im selben Ordner und nur teilweise auseinanderzuhalten. (Gegenüber haben sich die jungen Nachbarn nochmal auf dem Balkon eingefunden, Füße baumeln durch das Gitter, Zigaretten glimmen, während unten zwei späte Jogger flusswärts hasten. Es duftet erstmals seit langer Zeit nach warmer Nacht und ihrer Ferne, die sich Worten und Bildern entzieht. Schattenspiele, zwischen Laterne und Vollmond.)

Deutlich später. Noch einmal den kühlen Boden unter den Füßen spüren. Eine Armlänge nur von Haustür und erleuchtetem Treppenhaus entfernt wirkt die Nacht weniger düster, auch wenn die Augen kaum weiter als bis zum Zaun blicken und der Ort dahinter vollständig mit der mondmatten Finsternis verschmilzt. (Imaginäre Musik. Ein Hund bellt. Die Müdigkeit drückt schwer auf das Bewusstsein.)

Nächtliches Dorf, späte Dämmerung, verschwommene Lichter.

Past midnight. The silence outside is tremendously dense. Especially following all the conversations, the weight of the words and all they keep inside. Opening windows wide. Turning down the lights. Half asleep, partially awake. Lost track of the day.

Schließlich: Abheften, was ein weiterer erster milder Abend des Jahres gewesen sein mag, während der Frühling erneut Anlauf nimmt. Im Kneipenfenster blinken Lichter rhythmisch in rot, grün, blau und dem ganzen Spektrum dazwischen. Späte Heimkehrer tragen Einkaufsbeutel und Bierkisten in sparsam erleuchtete Eingänge, schließen sich in ihre kleinen Reiche ein und die umgebende Welt aus. Am Rande der Kreuzung sitzt jemand auf der Fensterbank des Erdgeschosses und spricht eindringlich vor sich hin; die verwinkelte Dunkelheit allein weiß, wem diese Ansprache gilt. (Zwischen der nächtlichen Ahnung blühender Bäume und wieder grüner werdender Wiesen duftet die Stadt anders als sonst, und alles daran ist ebenso unwirklich wie angenehm.)

Und noch einmal die Nacht der Höfe über dem Kopf. Andere Dämmerung, ähnliche Stimmung: Wärmer als vermutet, stiller als erwartet. Im kleinem Hinterhaus erhellt eine schwache Lampe jenes Zimmer, das sich hinter dünnen Gardinen versteckt. Balkone bleiben heute verschlossen, Menschen zurückgezogen, und nach dem Hubschrauber, der dröhnend hin zum Fluss zieht, ist der Moment so klanglos, dass man kaum atmen möchte. Einzelne Konstellationen verheddern sich in den Wipfeln der Bäume. Erfühlen von Gras und Erde, fest und trotzdem weich unter den Fußsohlen. Einschwingen in das Zittern der Stadt.

Wieder spät: Abgelaufene Sitzungen sprechen vom fortgeschrittenen Abend. Auch manche Maschinen brauchen Pausen. Und ab einem gewissen Punkt, einer gewissen Komplexität entgleitet die Konzentration ohnehin, werden die Schritte unsicherer, die geistige Hand wackeliger. Herausforderung ist wohl, diesen Punkt zu erkennen. (Wieder drängt eine Kälte zwischen die Wände, der schwer zu begegnen ist. Gegenüber wirft der Fernseher noch gespenstische Schatten auf Jalousien und Wände, alles andere Licht ruht schon. Wenn man die Kopfhörer ablegt, rauscht die Musik noch ein paar Sekunden nach - und verschmilzt irgendwann mit dem anderen Rauschen. Dem des Hauses, der Stadt. Dem, das durch die Nacht begleitet.)

Selbst der Mond blieb nur ein kurzes Zwischenspiel am Rande des heutigen Weges. Jetzt: Das eigene Programm umschalten, wieder später als gedacht. Es sind die unbequemen Momente, in denen sich die Gedankenwelten davor wie danach zu klein, zu groß, fremd, fast schon unheimlich anfühlen. Unbeirrt davon rangieren unten die Spätankömmlinge in engen Parkbuchten, beobachtet von manch einem Hund auf seiner Abendrunde und den Rauchern auf dem Eckbalkon, deren rotes Glimmen nervöse Zeichen ins Dunkel malt. (Nebenan quietscht der Fußboden unter Schritten, die erfolglos darauf bedacht wirken, möglichst wenig Geräusch zu erzeugen. Ein Radio verstummt. Balkontüren öffnen in die leise atmende Stadt.)

Schließlich: Noch etwas in die Nacht lauschen, hypnotisiert von dem Tropfen, Knacken, Glucksen des Regenwassers von alten Schindeln durch ebenso alte Rohre bis in die Tiefe der Kanalisation. Dazu versuchen, die richtige Ausgewogenheit im Blick auf die neue Woche zu halten, Gedanken schon einmal durch Kommendes wildern zu lassen ohne Schlaf und Traum daran zu verschenken. Die Kerze flackert noch, der Abend lässt sich Zeit, auch wenn die Lider schwerer werden.