Immer nur einige Träume weiter. Wetterbeobachtungen und die Skepsis darüber, wie viel Platz die atmosphärischen Erscheinungen in den Augenblicken unmittelbar nach dem Erwachen einnehmen. Auch: Festzustellen versuchen, wann die Sprache in den Höfen zu Schweigen wurde, und scheitern. Das Horn eines schweren Güterzuges tönt fern, nebenan im Haus singt schon der Staubsauger und die Menschen haben insgesamt wohl sehr spezielle Vorlieben, Samstage zu beginnen. (Schritte auf feuchtem Asphalt. Blickkontakt mit verlorenen Schnapsflaschen. Erste Kommunikation, weit außerhalb der koffeinunterstützten Komfortzone. Verschlafene Reaktionen, verschlafenes Bewusstsein. Habt es mild heute!
Morgensonne steht schon hoch über den Dächern. Die Katze liegt in einem hellen Viereck und blinzelt dem Licht entgegen. Draußen diskutieren die gewohnten Vogelscharen ihre frühen Themen. Gelegentlich öffnet irgendwo ein Fenster, jemand schaufelt Erde in einen leeren Eimer, ein Kleinkind plappert aufgeregt. (Sinnieren über Waagerechte, Senkrechte und den Wechsel zwischen beidem. Unruhe, Trägheit und langsame Bewusstwerdung merklich vor dem ersten Kaffee. Noch keine Eile, noch kein Plan, und fast ein schlechtes Gewissen deswegen. Habt es mild heute!)
Siebente Stunde des Tages. Frühes Erwachen, sofern diese Bezeichnung für das Loslassen brüchigen Schlafes überhaupt angemessen ist. Irgendwann wurde der bunte Trubel still und müde und wich einem tausendstimmigen Klang ungesehener Schritte, Türen, Betten, Duschen. Jetzt ist das Viertel noch in der Hand jener, die der Nacht schon entsagten, weil eben irgendjemand Alles Da Draußen am Laufen halten muss. Vorsichtiges Gähnen, versuchsweise erste Bewegung. Zustandsprüfung weit vor dem ersten Kaffee. Habt es mild heute!
Wieder früh, zwischen Küche, Mülltonnen, Wäschekeller. Die Nachbarn haben jede Menge altes Geschirr auf dem Fußweg freigelassen, dazu einige vegane Kochbücher, aber der Moment mag noch keine Schlussfolgerungen aus dieser Kombination ziehen. Regen im Gesicht. Dann Regen auf den Scheiben. Der Wasserkessel knackt, nebenan beginnt der Wecker zu schreien. Es gibt viele Geräusche, mit denen man wohl besser nicht erwachen möchte, aber vielleicht ist das sehr subjektiv. (Wieder ein voller Plan. Aber zumindest wieder genügend jener Aufgaben, die man mit wenigen Handgriffen erledigen und dann final schließen kann. Also Kaffee aufgießen. Die Tastatur zurechtrücken. Und eine ganze Weile reglos vor dem Bildschirm sitzen, bis sich Ort, Zeit, Selbst miteinander wieder schlüssig anfühlen. Habt es mild heute!)
Der Morgen, auch: Leben in der Regel durch Abweichen von der Regel. Kratzige Stimme, Heißgetränk und Heimbüro, Reif auf den Dächern, Gänsehaut kriecht über die Arme. Im Hinterhof trocknet Wäsche an den alten Leinen, vorn werden Fahrräder und Mülltonnen aus dem Hausflur geschoben und zumindest für Letzteres scheint es der falsche Wochentag zu sein. Hinter der anderen Wand fällt ein Schlüsselbund auf harten Boden und zerreißt das halblautes Gespräch. (Blick in einen vollen Kalender, ohne großes Überlegen, um zufällige Gedanken zuzulassen und zu sammeln. Manchmal offenbaren die frühen Stunden doch Brauchbares. Habt es mild heute!)