(Die Nacht blieb sich treu, der Morgen gähnt hörbar, zwischen den Häusern klappern Mülltonnen und leere Gläser und einige letzte Sterne ruhen in den Ästen hoher Bäume. Augen zukneifen, zählen, wieder öffnen. Nochmal. Bis das Bild im Spiegel einigermaßen hinnehmbar wird. Hände in lauwarmem Wasser, fröstelnd mit der Kälte der zurückliegenden Stunden, die wohl erahnt und trotzdem überraschend durch den Flur weht. Kaffee. Frühstück in klein. Geleerte Posteingänge. Tonlose Minuten am Küchentisch, Konturen auf der Weltkarte umfahren und keine Flaggen mehr erkennen. Noch keine Pläne, nur halb auf der Spur. Habt es mild heute!)

Hinter Wochen- und Monatslinie sieht das heutige morgendliche Dunkel genau so dicht und schwer aus wie das gestrige. Erstes waches Fenster über der Straße, erste bewusste Gedanken, erste unscharf gewordene Bilder merkwürdiger Träume und es ist beeindruckend, Plätze und Situationen darin zu erleben, die seit Jahrzehnten unverändert geblieben sind. Dazu Kaffee. Noch ohne Hunger. Und weit geöffnete Katzenaugen, die kleine Fruchtfliegen mustern. Bewegliche Details wahrzunehmen ist wohl nie verkehrt. Habt es mild heute. 

Die Nacht hatte Parties und laute Dispute und verschiedene Unruhe zu verschiedene Stunden. Doch irgendwann findet alles wieder zusammen an einem Punkt, an dem neue Sonne über die Dächer streicht und die Nachbarschaft sich gähnend streckt im Angesicht des erwachenden Morgens. Vorsichtige Schritte, als läge die gesamte Aufmerksamkeit des Augenblickes auf den eigenen Füßen, gewährt durch ein Publikums bereit, jeden falschen Schritt deutlich zu kommentieren. Irrungen und Seitenwege früher Stunden, merklich vor dem ersten Kaffee. Habt es mild heute. 

Und dann steht man wieder in der offenen Tür, atemlos, und wartet, dass alle Aspekte des Selbsts es aus der Eile später Traumfilme schaffen. Keine Erinnerungen an Bilder, aber ein Gefühl von beklemmender Hektik und Ferne und Geschwindigkeit. Nur zögernd findet das Jetzt eine passable Form. Erster Kaffee, erstes Seufzen, noch keine Nachrichten und über dem Hof finden einige Vögel neuer Lieder. Besser so als anders. Der eigene Gesang ist viel zu rauh und rostig, noch mehr so nah an der verbliebenen Nacht. Habt es mild heute!

Stundenglocken, Radiostimme, noch immer keine bessere Idee für Weckrituale. Und noch immer keine Chance, spätem tiefem Schlaf zu begegnen, der die Seele intensiver zerknittert als die gesamte nächtliche Unruhe davor. Spiegelselbst, unbesehen, die Blicke überfliegen längst wieder mentale Visualisierungen von Kalendern und Reihenfolgen. Noch kein Kaffee, aber zumindest eine grobe Vorstellung von Dingen. Den erforderlichen. Aber zumindest auch den erfreulichen. Habt es mild heute.