Morgen, wieder zu früh und mit noch sehr viel mehr Gepräge von Nacht in sich, als es dem Geist, der Seele gerade gut tut. Reglose Augenblicke am Küchenfenster. Das Lauschen in die Dunkelheit hinein, in die schlafenden Häuser und die Klänge ihrer Träume. Unerkannte Vögel, ein lautes Gähnen, irgendwo Radiostimmen, verzerrt und surreal. Wasserkocher und Krümelkaffee. Büromittwoch. Und doch noch immer hier. Wartend, dass sich die Welt möglichst ohne viel Zutun finden will. Habt es mild heute...
Am Rande neuer Dämmerung ist das frühe Selbst noch damit beschäftigt, mit vager Orientierung durch die Fußangeln letzter Traumbilder zu steuern. Bad, eine Fliege vor dem Spiegel, eine angespannte Katze mit starrem Blick etwas weiter unterhalb auf dem Fußboden, und ein kurzes Unwohlsein in der Position genau dazwischen. Dinge zurechtgelegt, Dinge vergessen: Wochentag, Kleidung, Besteck, Seestern-Tasse. Erster Kaffee, gegen das Zerknitterte auf allen eigenen Oberflächen. Das Struppige wird dem Moment noch eine Weile erhalten bleiben. Habt es mild heute.
Hallo, August: Freitagmorgen, ungewaschen, zerklüftete Stundengebirge, halbdurchsichtige Geisterträume. Die Eigenwelt des frühen Tages, wenn die Gedanken ihren Reigen zu tanzen beginnen und die inneren Schilde alle noch heruntergefahren sind. Die Vögel klingen rauher als sonst, das Wasser wird nicht warm, man stolpert über die Neuordnungen des Vorabends und fragt sich, welche Schlüsse man zwei Dämmerungen vorher gezogen hat. Sucht im Kühlschrank nach der passenden Marmelade. Gießt den Kaffee auf, wünscht sich ein altmodisches Klemmbrett für Liste, die der Woche noch gehört, samt dickem Stift zum Abhaken. Oder Streichen. Je nachdem. Schneller Puls unter rasenden Wolken. Neuer Regen. Habt es mild heute.
Unterwegs im frühen Morgen und seinen dunkleren Ecken. Noch ohne Kaffee, ohne Karte, Kompass oder Wegweiser. Richtung als Ahnung, bestenfalls. Also streift man sich den neuen Tag über, streckt und dehnt sich und wartet, dass er aufhört zu spannen und zu kratzen. Der Kühlschrank wirkt lauter als sonst, unten werden harte Räder über die Steine gezogen und dem Ohr bleibt verborgen, ob Rollkoffer oder Mülltonnen ihren Aufenthaltsort wechseln. Eine Motte an der Lampe, ein Flattern hinter der Fensterscheibe, Taubenstreit und distanzierte Krähen. Selbstwerdung vor dem Sonnenaufgang. Habt es mild heute!)
Neuer Morgen, früher Morgen, wieder im Takt. Fast. Die Stunde hat noch keinen Klang und kein scharfes Bild, dafür bleiben düstere Augenblicke, über die eigenen Unzulänglichkeiten hinwegsehen, all die Dinge zu dulden, über die man stolpert, weil man keinen guten Platz für sie findet. Erster Kaffee. Etwas Wind in der Küche. Sich selbst zusammensuchen, bevor der Tag schneller wird. Habt es mild heute.
📷 lost-in-moments