Unvermittelt wird das Wetter ernster. Plötzlich peitscht Regen fast waagerecht über Land und Beton, erschafft große Pfützen entlang des Rinnsteins, verschwindet strudelnd und glucksend in der Tiefe der Kanäle. Blätter und dürre Äste bedecken die Kreuzung, dunkle Wolken treiben über die große Markthalle, hinter deren Fenstern kalte Lampen und Regale von Weihnachtsdekoration strahlen. Kleidung nass bis auf die Haut, die Schritte werden schneller, der Wind kalt. Alles duftet nach Wald und Wasser.

Freitag, auch: Dreck und Staub der Reise abschütteln. Füße im Eschenlaub, umgeben vom Duft des milden Tages, immer noch unter dem hohen dichten Grau, gegen das die Sonne bislang verlor. Irgendwo holpert ein Traktor durch die Felder, die Glocken schlagen Mittagsstunde, und ein unproduktives Selbst schwankt zwischen schlechtem Gewissen und entspannter Trägheit. (Immer noch Weinbeeren am alten Schuppen, größer und süßer als früher. Kurz vor dem ersten Frost, vermutlich. Loslassen des Jahres als immer wieder neue, nicht ganz leichte Übung.)

Ruhe des Schlafes zwischen Gestern und Jetzt raubten das feine Summen von Mücken und eine tiefe Folge vertraut-fremder Traumzerrbilder mittendrin, in denen man alte Welt beobachtet, nichts und niemand wiedererkennt und irgendwann erschöpft und mit schwerem Kopf aufwacht. Dort im Osten ringt Sonnenlicht mit trübem Himmel, vor den Fenstern taumeln Blätter von kahler werdenden Ästen, jeden Tag etwas mehr Herbst. Also: Nachtluft aus dem Zimmer lassen. Kopfkissen aufschütteln. Dann braucht es auch heute Kaffee, um langsam in Takt zu kommen. Habt den Freitag mild!

Und wieder Morgen. Zu dünn der Schlaf, zu lang im Bett, Unruhe treibt in Tätigkeit, zu der die Seele noch viel zu verknittert ist. Irgendwann wurde der Wind stärker, schlug Türen zu, klapperte mit Fenstern wie ein wildes Gespenst. Jetzt schweigt der Spuk, hellgraue Dämmerung liegt über dem Horizont, hinter Fenstern gegenüber laufen schon wieder bunte Bewegungen über den riesigen Fernseher und unten an der Kreuzung schlendern zwei Kinder mit Hund und herbstbunter Tasche zum Bäcker. Noch zu weit vor dem ersten Kaffee: Augen reiben, gähnen, vorsichtig erste Bewegungen spüren. Und sich ansonsten noch etwas aus dem Weg gehen, bis absehbar wird, woran man heute mit sich ist. Habt dem Tag mild!

Die Nacht blieb trocken und tief. Im frühen Tag schimpfen Krähen über der Kreuzung und werfen Walnüsse vor fahrende Autos. Einmal mehr: In Dingen, die man abends zu sortieren nicht mehr den Antrieb hatte, verfängt man sich gern morgens, auf vielerlei Weise. Hinter den Häusern zeichnen sich dunkel die vertrauten Konturen der Stadtbäume ab, sparsam bewegt im ersten Lufthauch der Dämmerung. Gegenüber stehen alle Dachfenster weit offen, ein Fahrrad klappert hin zum Fluss, an der Haltestelle wechseln Busfahrer den Dienst. Lauter und wacher als sonst wirkt das Viertel, ohne genau zu wissen, warum. Schwung holen: Krümelkaffee zwischen Küche und Bad. Tasche packen. Losziehen, bevor das frühe Grau durch Kalenderblau überstrahlt wird. Habt es mild heute!