Früher Morgen, der böige Wind blieb, zupft an den Haaren, wirft dann und wann Laub und die gestrigen Zeitungen vor die Füße. Zu viel Nähe, schon an der Haltestelle. Über die Tafeln gleiten imaginäre Züge, die kommen und weiterziehen, ohne wirklich den Bahnsteig zu sehen. Noch scheint die Logik uneins mit der Realität. Hinter den Türen nimmt die Enge zu, also zieht man sich seitwärts zurück und bleibt im Gedankentunnel, bis die Füße wieder Straße des anderen Viertels berühren. (Aussteigen auch aus der Nacht, zumindest im Gefühl. Die Stimme wecken. Sich selbst für einige Sekunden beobachten. Und dann arbeiten mit dem, was man gesehen hat. Kommt gut in den Tag!)

Früher Morgen: Müde genug. Fahrt in Kurven um tanzendes Laub, im mentalen Autopilot, weil einen nichts daran hindert. Steuern durch das Unwägbare, durch Polizeistreifen, die am Wegesrand wachen, durch enge Gassen, über denen Laternen an Drahtseilen im Wind schwanken und merkwürdiges Flackern über die feuchten Steine schicken, vorbei an den Wohnhäusern, in denen noch Nachtlichter in der Dunkelheit schlafender Räume schimmern und vorbeiziehend eine freundliche Wärme aussenden. Bürotüren, leere Küche Umplanen des Tages. Stille der Augenblicke, zwischen Kaffeemaschine und Springbrunnen. Habt es mild heute!

Noch vor dem richtigen Morgen ist dann alles Wasserherbst und Regen. Regen, der sich in tiefen Pfützen entlang der Straße sammelt und vom frühen Verkehr in Vorhängen auf die Wege geworfen wird. Regen, der in kurzer Zeit Hosen und Schuhe dunkel und kalt werden lässt. Regen, der sich immer wieder schwallweise über die Fenster der Bahn ergießt. Regen, der mit dem Wind in Kleidung und Gesicht geworfen wird an jeder Haltestelle, an der die Türen öffnen. Und plötzlich ist alles wieder enger, zwischen Teenagern und flimmernden Bildern auf kleinen Displays, hustenden Pendlern unter schlechtem Parfum, schwer bepackten schmutzigen Rädern an Un-Plätzen zwischen Reihen und Sitzen. Fokus auf die Nasenspitze und die beschlagenen Scheiben. Ausblenden von allem, was der Moment gerade nicht braucht. Und Aufatmen erst hinter der Glasfront am eigenen Schreibtisch, hinter der die Welt heute aus milchig-nassem Licht besteht. Erst einmal ankommen. Und Kaffee. Damit der Tag sich fügt. Habt es mild und trocken heute!

Früh am Tag, und schon deutlich weiter: Vieles seit dem Erwachen ist erfüllt von dem immer wieder staunenden Verharren in Bewunderung des Horizonts, des Lichts, der Farben, die so leicht über der schwarzen Kontur von Wald und Park treiben. Kirchglocken im anderen Viertel, die Weichen der Straßenbahn krachen vor dem nahenden Zug. Noch zu früh für die wirklich großen Bewegungen, also beschränken sich Kontakte am Weg auf erste Pendler, verschlafene Schüler und jene, die die Dunkelheit irgendwie zurückgelassen zu haben scheint. Zwangspause an der letzten Ampel, erste Gespräche, erstes Räuspern, und immer wieder das erschrockene Erstaunen, die eigene Stimme des Morgens zum ersten Mal richtig zu hören. Danach Büroküche, zweiter Kaffee. Für den Schwung, den Geist, die Seele. Für die Routine, und die Möglichkeit, auch andere Gedanken zu finden. Habt es mild heute!