Zwischen den Stunden den Themen den Konferenzen den Tickets: Offene Konsolen, offene Systeme. Ströme von Ereignissen, die wenigsten davon erwünscht. Unbequeme Wahrnehmungen, die in kontroversen Diskussionen und beträchtlichem Mehraufwand resultieren werden. Der Himmel über dem Betonviertel bleibt derweil dicht und grau, treibt Schauer neuen, dichten Regens durch die Tiefe zwischen den Häuserzeilen. Das Gelb der Bahn kaum mehr als ein schwacher Farbpunkt, der schnell wieder hinter den Kurven und Seitenstraßen verschwunden ist. Hantieren mit Listen, Jonglieren mit viel mehr Bällen als Händen. Und dazu weitergehen, Schritt für Schritt.

Regentropfen vor grauem Himmel. Fassaden von Neubauten, rote Dächer, Fenster.

📷 lost-in-moments

Stunden und Straßen weiter blüht der Kirschbaum immer dichter und lebhafter und seine schweren Arme zittern unter Myriaden von Bienen und Wespen und Schmetterlingen und wäre der Ort insgesamt freundlicher, man möchte das Tagesbüro in seinen Schatten verlagern für die kurze Zeit, die ihm diese Pracht zugestanden ist. An der Ecke stolpert man über die jungbürgerlichen Familien, grüßt sich vorsichtig, kommt über knappe Höflichkeiten nicht hinaus, spürt unsichtbare Grenzen und Zurückhaltungen und sehr verschiedene Wertwelten und eigene Überheblichkeit. Unangenehm berührt. Schließlich der eigene Briefkasten, der markante Duft von Hochglanzdruck und hartem Papier verschwendet an Kurzlebiges, das ungesehen im Abfall endet. Antworten auf elektronische Post, in gedruckter Form, nicht signiert, weil maschinell erzeugt. Man könnte sich viele Fragen stellen, aber die Sonne treibt wie ein heller warmer Ballon über den blassblauen Himmel und einstweilen versöhnt dieser Anblick mit kleineren und größeren Grotesken, die eigentlich keine geistige Energie verdienen.

Mittag, irgendwo zwischen den Dingen. Andere Wege, andere Ecken, im Versuch neuer Routinen. Etwas weiter spielt ein junger Mann Gitarre, die langen und erstaunlich grauen Haare halb das Gesicht verdeckend, im Stehen, wie zufällig von Musik gepackt, die genau jetzt ihre Bahn brechen muss. Parkbewegungen in engen Nischen, Publikumsverkehr von Haltestelle zu Supermarkt und zurück. Etwas größeres Misstrauen hier, kaum freundliche Gesichter, spürbare Anspannung in allem, allen. Dahinter Stadthügel, dunstiger Horizont, hohes weiches Blau. Die Bahn fährt weiter, der Moment flieht mit ihr. Tage ohne Kuchen, Tage bewusster Entscheidungen.

Etwas nach Mittag schreckt man aus dem eigenen Plan auf und hört, sieht, spürt, wie die Stadt unter dichtem, kaltem Regen liegt. Kurzes Ankämpfen gegen Herbstgefühle, mit halber Kraft nur und letztlich erfolglos. Stattdessen zügige Schritte über nasse Steine, nasses Holz, nassen Asphalt. Nebenan ordnen sich Baufahrzeuge und Paketdienst unter den wachsamen Augen einiger Anwohner; wie so oft sind die Unbeteiligten jene, die die größte Härte und Kompromisslosigkeit in solche Situationen hineinreden. (Kirschkuchen. Für die Abschnitte, durch die der Weg bis zum Abend führt, und mangels besserer Ideen. Und keine Sonne bislang.)

(Tage, an denen man die Welt neu bauen möchte. Aber dann doch zufrieden damit ist, Leergut zum Automaten getragen zu haben. Der junge Mann hinter der Kasse ist freundlich, doch irgendetwas in seiner Freundlichkeit verstört genau so subtil wie die Tattoos auf seinen Armen. Und der ausgezahlte Betrag reicht auch diesmal nicht für das Haus in den Bergen. Neben dem Parkplatz haben die Senioren des Viertels die Einkaufswägen wieder ordnungsgemäß aufgereiht und verkettet, ein Rudel Schüler verbringt den Mittag mit Energy-Drinks und Sandwiches aus der Folie. Immer noch keine Sonne, aber das Grau wirkt etwas leichter. Gedanken noch halb in Konzepten. Und immer viel mehr Dinge vergessen, als einem lieb ist.)