Kontinuität, auch: Gelegentlich sind Gerüche drängender, intensiver in der Wahrnehmung, auch wenn die Welt augenscheinlich diesselbe ist. Etwa der Duft des Wassers und der Pflanzen, den der Hinterhof über den Springbrunnen eingeschlossen hält. Der Duft von Zigarettenrauch neben der Eingangstür, immer begleitet von Tiraden gegen die unseligen Raucher. Der Geruch von alten Häusern, feuchtkalten Steinen und Baustellenstaub gegenüber, wo die Hämmer und Brecheisen Altes für Neues beseitigen. Der Duft herbstlicher Feuer über den flachen Lauben der Stadtgartensiedlung. Der Hauch von gebratenen Zwiebeln und Frittierfett, den der Imbiss aus klappernden Schlitzen bläst. So schwindelerregend und überfordernd, so beruhigend trotz allem im Vertrauten des Alltags und seiner Wege durch die anderen Nachbarschaft. (Pflaumenkuchen und ein freundlicher Gruß. Fallende Kastanienblätter in gelb und braun. Knappe Spuren von Sonne über den Fassaden.)

Auch lange Gespräche verstummen irgendwann. Dann legt man die Kopfhörer beiseite, blickt auf die Sammlung von Tickets und Dateien, die im Laufe der Stunden geöffnet wurden, hält kurz inne - und sperrt den Bildschirm, bevor man das Büro verlässt. Mittag, anderes Viertel. Hausmeister rollen braune Tonnen zurück in ihre Keller, zurück bleibt eine Aura üblen Gestanks, die nur langsam verweht.  Schmetterlinge flattern über alte Zäune, Farben ihrer Flügel schimmernd unter hoher Sonne. Gegenüber rennt ein junger Mann, in Sportkleidung und mit angestrengtem Gesichtsausdruck, wieder und wieder durch das vorübergehende Halteverbot zwischen den beiden Schildern. Passanten beobachten das Schauspiel, fragend, spöttisch. Taxi im Schatten der Bäume. Rollkoffer, Trinkgeld, Ankommen. Zu viel Musik im Kopf, Gedanken irgendwo abseits, Stimmung auf Spätsommer, so lang er denn bleibt. 

Unterwegs durch denselben Baustellenlärm an einem anderen Mittag. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens dankt die einzige festangestellte Mitarbeiterin den jungen Praktikanten, die es geschafft haben, alle gelieferten Waren in alle Regale zu räumen. Ein grauer Dutt wandert über dickem Pelzmantel durch die Gänge, beides gehört zu einem älteren Herrn, der sich ebenso enthusiastisch wie planlos müht, seinen langen Einkaufszettel abzuarbeiten, bislang aber nur Porree und Salzstangen in seinem Wagen fährt. Die Auslagen mit Gemüse und Blumen stimmen genau so trübsinnig wie das Regal mit der Tagespresse, und viel davon scheint auf die Zeitgenossen unter dem Neonhimmel abzufärben: Manchmal erzeugt ein Lächeln ein Lächeln, aber manchmal verschwindet ein Lächeln in seinem Echo. (Bezahlen, Türen öffnen und schließen lassen, den Wolken zunicken. Es darf weitergehen.)

Nach dem Mittag: Kirschkuchen und alte Rituale. Immer noch weitestgehend leer die Flure und Zimmer, heute hat das Rauchen auf der Terrasse augenscheinlich auch keinen sozialen Charakter. Gegenüber schleppt ein buckliger Bote schwere Pakete in den großen Besprechungsraum, in der Küche direkt nebenan starrt ein junger Mitarbeiter bei Mikrowellen-Essen in den hellgrauen Stadthimmel. Spiegelungen auf ruhenden Springbrunnen. Keine passende Musik im Augenblick.

Wieder halb durch den Tag, alles fühlt sich noch früher als sonst an. Einige Punkte fallen aus der Liste, das Gros der berührten Themen indes ist langwierig und zäh. Nebenan diskutiert ein Entwickler einen komplexen Fehler, und im weitestgehend leeren Raum bleibt sein Geheimnis, dem die Erklärungen genau gelten. Bürohund schläft vor seiner Zimmertür, lässt sich die letzten der heutigen Sonnenstrahlen über das Fell wandern, ignoriert klingelnde Telefone und Vorübergehende geflissentlich. Einige Schreibtische weiter singen Lüfter der schweren Maschinen in einem eigenartigen, schiefen Chor. Noch kein Glühwein, aber zumindest Aprikosenkuchen. So geht es wohl auch.