Einschlafen im Zwielicht, Erwachen im Zwielicht. Zu früh, zu spät, je nach Sicht und Gefühl für den Wochentag. Tief Luft holen, Seele strecken. Die Zimmer sind ausgekühlt, die Heizung rumpelt lauter als sonst. Kleine Pläne statt großer Absichten. Ausreichend, für jetzt. Und dazu flackernde Kerze, Kaffee und Brot. Habt es mild heute!
Elusive mornings. Overcast skies, light in between. Small hazy structures. Everything in slow-motion. // 366skies
Neue Sonne, Tauben auf dem Vordach. Erwacht mit dem Rennen und Lachen der Kinder in anderen Etagen. Die Nacht ist längst zerfallen, erste Blicke durchstreifen einen hellen Morgen. Jetzt also: In Schwung kommen, ohne zu wissen, wieviel man davon dem Tag geben will. Auf technische Geräte einreden, irgendwo zwischen Murmeln und Schimpfen. Heruntergebrannte Kerzen austauschen, während das Viertel ungeordnet hier und da wieder zu sich kommt. Die Katze auf dem Fensterbrett beobachtet reglos und mit verhaltenem Interesse, und für den Anfang scheint das keine ganz falsche Idee. Habt es mild heute.
(Wieder Morgen. Viel zu früh. Echo der Nacht in den Höfen, Echo der Nachbarn auf den Balkonen, die diskutieren, lachen, streiten. Unsicher, wieviel davon Erinnerung ist und wieviel nur vager später Traum. Indes: Sicher die eigenen Schritte hören, den Fußboden des Flures unter den Füßen spüren. Sicher frösteln im Luftzug zwischen offenen Türen, offenen Fenstern. Sicher die klebrige Dunkelheit in allem wahrnehmen, in die der neue Tag nur langsam vordringt. Kaffeekanne, Vollkornbrötchen, Fehlermeldungen. Automatisierte Reflexe, kurze Reaktionen, bis die Erkenntnis des Samstags tiefer ins Bewusstsein sickert. Durchatmen. Und erste klare Gedanken fassen. Habt es mild heute!)
Wieder früher Morgen. Erste Versuche, es dem Himmel gleichzutun in seinem Ansinnen, zu neuer Farbe zu finden. Bislang mit überschaubaren Ergebnissen. Gegenüber werden Schlafzimmerfenster geöffnet, ein junger Mann übt Kniebeuge vor einem verspiegelten Schrank, und es ist beeindruckend, wie man um diese Stunde diesen Schwung aufbringen kann. Dann: Krümelkaffee aufgießen. Posteingänge fegen. Dem Drucker sein mechanisch hustendes Erwachen nachsehen. Und schauen, wozu sich ein voller, durchgetakteter Freitag formen lässt. Habt es mild heute!
Aufwachen im dunklen Blau, mit erster vorsichtiger Dämmerung unter zerrissenem Himmel. Langer Blick in den Spiegel, danach langer Blick auf den Bildschirm, beides ohne Reflektionen, denen Enthusiasmus entspringt. Da klebt noch viel Müdigkeit an allem. Im Treppenhaus schlägt eine Tür, Schritte eilen abwärts. Der Wasserkocher sprudelt, schaltet ab, überlässt die Küche wieder früher Stille. Kondenswasser rinnt von alten Fließen. (Also Kaffee. Und ein langes Innehalten, mit der heißen Tasse in den Händen, den Tagesplan schon grob im Kopf. Immer fünf Minuten vor einem neuen Anfang. Habt es mild heute!)
Immer zu spät für das Gewissen, immer zu früh für die Seele: Von den nächtlichen Träumen ablassen. Fenster weit öffnen, das Abgestandene, Gestrige hinaus in die Welt zwischen Park und Fluss zu scheuchen. Gesicht unter kaltes Wasser halten, bis die Sicht auf die Dinge wieder klarer wird. Selbst heute klingelt irgendwo ein Wecker, fallen Autotüren ins Schloss, klappert Geschirr in erwachenden Küchen. Seltsames Gefühl, den Kragen hochzuschlagen in einer Dämmerung, deren Kälte nicht den Erwartungen, Befürchtungen entspricht. Vorsichtige Schritte, fast verstohlen, wie um niemanden zu wecken, oder um selbst nicht gehört zu werden. Noch nicht wirklich bereit für Aufeinandertreffen, für Berührung mit fremden Gedanken. All das darf noch werden. Später. Wenn die Zeit reif ist. Habt es mild heute!
Offenes Fenster, neuer Morgen, nahtloses Anknüpfen an alles, was auch diese Nacht überdauert hat. Die Krähen an der Kreuzung diskutieren ihre Donnerstagspläne. Unten klappern Stöckelschuhe über hartes Pflaster, ein Fahrdienst blinkt in zweiter Reihe. Luft von den Uferwiesen, die sich indifferent, kühl in den Raum schleicht und nach Nebel und Wasser schmeckt. Hinter den Blöcken klingelt die Straßenbahn, die Eckhäuser werfen erstes Licht auf die noch weitestgehend leere Straße. (Wie gehabt: Kaffee kochen. Die kratzigeren Träume aus Antlitz und Bewusstsein zu waschen versuchen. Häkchen an kleinere Aufgaben setzen. Und dann noch ein wenig das allgemeine Verblassen letzter Dunkelheit beobachten. Habt es mild heute.)