Neuer Morgen und immer noch Nebel. Entscheidungen treffen, Komfortzonen verlassen, Unbequemes üben. Etwa, heute: Blicken ausweichen. Aufmerksamkeit meiden. Versteckt bleiben in einer mäßig besetzten Bahn, die nur an kritischen Stellen schnell über die Gleise schrammt. Das eigene Verschlafene erst loslassen, als die Fahrstuhltüren schließen und sich jenes eigenartige Druckgefühl ausbreitet, das man immer nach oben mitnimmt. (Auch: Zweiter Kaffee im Büro. Küchengespräche. Und die Wahrnehmung an sich selbst, Dinge nicht zu tun, weil Notwendigkeit gegeben ist, sondern weil sie Kollegen helfen. Immerhin. Habt es mild heute!)

Erste Bilder des Freitags: Immer noch Nacht über den Dächern. Regen schlägt viele kleine Wellen auf dem Vordach, die sich konzentrisch ausbreiten, ineinanderlaufen, die Spiegelbilder der wenigen morgendlichen Lichtpunkte in seltsamen Reigen tanzen lassen. Die Fassade gegenüber schläft heute noch, so weit das Auge blicken kann. Unten findet der Zeitungsbote seinen Weg, klappert umständlich mit Schlüsseln, verschwindet kurz in einem dunklen Haus und schiebt seinen Wagen dann weiter, flusswärts. (Erster Kaffe. Staunen, immer wieder, wann der Drucker warum zu Aktivitäten erwacht. Die zurechtgelegten Lesezeichen anfassen und warten, dass sich die frühe Realität wieder darum sammelt. Dann kann der Morgen langsam beginnen. Habt es mild heute!)

(Mäandern um die Fragmente von Nacht und Träumen, die sich auftürmen in Schlafzimmer, Bad, Küche. Stoppeln zurechtstreichen. Erst Augenblicke später an die Frage stoßen, wie kalt das Wasser heute war, und keine bewusste Antwort finden. Der Kessel sprudelt. Morgenradio spielt einst ungeliebte Songs alter Helden und die Zeit lässt eigene Urteile milder werden. Oder der Geist ist nur noch zu schläfrig für klare Blicke auf die Dinge. Vor dem Kaffee, vor dem Frühstück ist vieles denkbar. Habt es mild heute!)

(Nervöser Wind, nervöse Stadt, nervöse Katze ließen den Schlaf brüchig und dünn werden. Tiefes Gähnen, angesichts des Spiegels, in der Küche, vor dem Bildschirm. Immer noch reißt es stürmisch an den Schiefern und pfeift durch die Bleche, der Drucker unter dem Schreibtisch erwacht mit der anderen Technik aus seinem Dämmerzustand und schimpft ungehalten, Benachrichtigungen klingeln über verschiedene Kanälen und es dauert ein paar Augenblicke, bis sich der Morgen wieder einigermaßen beruhigt hat. Kurzer Blick in die scheinbar tief und fest schlafende Straße. Erster Kaffee. Und erste Handgriffe, unsicheres Probieren an verschiedenen Enden, welches Tun sich schon gut anfühlt. Noch zu verschlafen für Frühstück. Habt es mild heute!) 

Erste Herausforderung: Schlaf finden. Zweite Herausforderung, dann: Schlaf wieder loswerden. Regenstimmung über dem Block, graue Wolken streifen graue Schindeln. Nachbarn trotten zum Bäcker, leicht gebeugt unter schweren Kapuzen. Fern hört man Krähen und Elstern schimpfen. In den neu bezogen Räumen gegenüber wird Geschirr auf einen Küchentisch am Fenster gestellt. Der eigene Aufbruch in den Sonntag bleibt eher zögernd und hängt gefühlt der Zeit um einige Stunden hinterher. Gut, sich zu vergegenwärtigen, dass er zumindest keine Eile braucht. Habt es mild heute!

Frühes Erwachen aus spätem Schlaf. Jede Menge Leere zwischen hier und dem Horizont. Selbst die Sterne vor dem Fenster scheinen noch diesselben wie vor wenigen Stunden, und für unangenehme Minuten verharren Geist und Seele orientierungs- und ortlos zwischen Küche und Schreibtisch, wartend, dass der neue Morgen sich zeigen, zu erkennen geben möge. Aber noch bleibt alles vage. (Kaffee kochen. Wieder die falsche Stimme im Radio, aber Musik funktioniert auch noch nicht. Gänsehaut trotz Heizungswärme, und noch nicht besonders viel Erfolg darin, sich selbst genug zu sein. Warten auf Licht, während die Nachbarschaft noch weiterschläft. Habt es mild heute!)

An den meisten Tagen liegt der letzte Abend noch als abgestandener, lauwarmer Hauch über allem. Manchmal duldet man dies unberührt und stoisch, und manchmal muss man alle Fenster weit aufreißen, alle Luft in einem Atemzug wechseln, beobachten, wie all die Geistergespinste sich auf dem Weg über die Häuser hin zum Fluss drehen, verwinden, zerfasern, auflösen. (Linkische Morgengymnastik im Vorübergehen, eher der Versuch, alle eigenen Teilsysteme wieder in Betrieb zu bringen, als tatsächlicher Sport. Auf dem Dach klappern Schindeln in ruppigen Böen, unten husten die Kinder, und auch die Krähen sind wieder da. Brötchen, Kaffee, Kerze, der Sonntag darf beginnen. Habt ihn mild.)

Gelernt: Wenn man dem Morgen in Halbstundenetappen entgegenschläft, verschwimmen Welt und Traum immer wieder und führen zu Einsichten, die verstört erwachen lassen und schwer zu entwirren sind. In den Höfen macht sich jemand an den Mülltonnen zu schaffen, eine einzelne Krähe ruft immer wieder, blechern und mechanisch. Der inneren Uhr ist es eh schon viel zu spät, also kann man auch einfach bettflüchten, den Badspiegel angähnen, sich über die Kleinigkeiten der unmittelbaren Gegenwart freuen. Zum Beispiel die warme Heizung. Dann bleibt Kaffee zu kochen, Brot zu schneiden, der Rest findet sich sicher auch heute. Kommt gut in den Tag!