Wer unruhig einschläft, wacht nach unruhigen Träumen ebenso unruhig auf. So will es wohl die Kontinuität. Gähnen in die Welt hinter den offenen Fenstern. Details ignorieren, die sich der eigenen Einflussnahme entziehen. Kirchglocken erahnen, die bereits wieder verklungen sind. Ankleiden, Nacht aus dem Gesicht und vom Gemüt waschen. Erste Schritte im leeren Treppenhaus. Und einmal mehr: Herausfinden, wo der Morgen beginnt. Habt es mild heute.
Kein Mitternachts-Öl verbrannt, aber zumindest blieb das nervöse Bewusstsein aktiv bis kurz nach der inneren Sperrstunde. Also: Ein neues Licht in den Morgen tragen, ein neues Licht im Morgen sein, auch wenn man selbst derzeit noch nicht wirklich hell zu leuchten vermag. Gespiegelter Augenkontakt, wortlose Artikulationsversuche irgendwo zwischen Gähnen und Seufzen, und manchmal wird in einen knappen Augenblick spürbar, wie tief die Zimmer die Häuser hinter den Wänden noch schlafen gerade jetzt. (Kaffee. Brot. Mechanisch. Erfreulich, dass zumindest manche Aufgaben ohne Erklärung funktionieren. Habt es mild heute.)
(Dann: Die dünne Linie zwischen der Zeit, in der man noch wach ist, und jener, in der man diesen Zustand wieder zu erreichen sucht. Der Morgen heller als der Abend, aber der Geist ähnlich vernebelt und un-klar auf seinen Pfaden. Wecker klingeln, Wasser tropft, der Kühlschrank seufzt und schläft wieder ein. Kaffee, aus der gewohnten Tasse, die heute kleiner als sonst wirkt. Krähen, hörbar, unsichtbar irgendwo zwischen Dächern und Park. Ein erster Bus, in der Haltestelle, Anhalten, Klingeln, Anfahren. Das Beruhigende von Taktungen. Und der nächste Schritt dorthin, wo der Tag spielt. Habt es mild heute!)
(Neben der Straße schlafen leere Bierflaschen in einem vergessenen Einkaufswagen. Der Supermarkt gegenüber öffnet seine Türen für Wartende, eine Gruppe lauter Schüler drängt sich an Handwerkern in blauer Arbeitskleidung vorbei und verschwindet zwischen noch verpacktem Obst und Blumen aus der Ferne. Leere Parkplätze, leere Tiefgarage. Ankunft im Jetzt.)
📷 lost-in-moments
Und wieder einmal glaubt man in bewegten Träumen Welten bereist und tiefgreifende Fragen gestellt und ebensolche Rätsel entschlüsselt zu haben - und dann vertreibt Morgendämmerung das Dunkel, das all seine Geheimnisse wieder mit sich zieht und die übliche Ratlosigkeit zurücklässt, die jeder dieser frühen Stunden innewohnt. Sinnieren über Rhythmus und Takt, objektive und subjektive Dimensionen der Zeitwahrnehmung, die eigene Leistungskurve und das wiederkehrende Einschwingen auf und mit sich selbst, das manchmal leichter, manchmal schwerer fällt. Geistige Irrwege vor dem ersten Kaffee. Aber irgendwo muss man ja anfangen. Habt es mild heute!