Neue Woche - und das seltsame Gefühl, dass Taktungen und Abläufe tagesgebunden sind, zur falschen Zeit schlechter als gewohnt funktionieren, die Hürde der Selbstordnung nochmals erhöhen. Auf schmalen Rädern unterwegs ins andere Viertel. Jene, die die Woche ruft, brechen schon auf, schwere Taschen auf den Rücken und indifferenten Gesichts. Jene, die keine Eile haben, führen ihre Hunde um die Ecken, mit Kaffeebecher und einer Rolle Kunststofftüten und für zu lang entwickelt die Fantasie verstörendes Eigenleben auf dieser Kombination. Zwei Straßen weiter blieben Reste eines Umzugs dort, wo die Beete vor den Häusern enden: Alte Filmplakate, staubige VHS-Kassetten voller Belanglosigkeiten. Und ein großer, sonnengeblichener Globus. Übrig gebliebene Erinnerungen am Aufgang zum Plattenbau. (Dann: Zweimal die Bahn kreuzen, den Bordstein überqueren, die Garage über sich spüren. Langsam wieder Fahrt und Kurs aufnehmen: Küche, Grüße, Sonnenaufgang. Habt es mild heute!)

Nebenan wurde ein Fernseher auf dem Gehweg entsorgt. Der flache Bildschirm spiegelt Himmel und Wolken und trägt ein großes wütendes Loch in seiner Mitte. Wind zupft an freigelegter Elektronik. Vage Geschichten über den letzten Abend drängen sich auf. 

(Wieder Morgen. Stolpernder Übergang, immer wieder unterbrochen und halb bewußt beobachtet. Tiefes, ungestörtes Schlafen als Fähigkeit, die irgendwann abhanden kam. Die Luft blieb kalt, Nachtschwärmer hielten an ihren Gewohnheiten ebenso fest, wie es die frühen Vögel taten und tun: Vor dem inneren Auge zeichnet sich eine Karte der Bäume des Carrees ausschließlich aus Abstand und Richtung des morgendlichen Gesangs, der selbst jene wecken dürfte, die sich lang und fest an die Nachtträume klammern. Dann besser Kaffee, Brötchen, Obst. Und Verzicht auf Pläne als Möglichkeit, und Luxus. Habt es mild heute!)

Selbstverortung nach der Nacht. Noch etwas früher als üblich. In gewohnter Weise verknittert. Freitag, und die Stadt scheint es gar nicht erwarten zu können, ihre Müdigkeit abzuschütteln und wieder Schwung zu holen. Motoren von Autos und Bussen dröhnen über die Kreuzung, gelegentlich hüpfen die Lichter klappriger Fahrräder vor den Fassaden entlang, an der Haltestelle wartet ein Busfahrer mit Aktentasche und Kaffeebecher auf seinen Einsatz. Kälte liegt über den Dächern und im Zimmer, auf dem Bildschirm zeichnet sich langsam wieder die Welt in der Sicht dieses Tages. Der erste Kaffee muss noch wirken, bis dahin bleibt viel Zweifel und wenig Form. Habt es mild heute!

Dann: Küchendämmerung. Aus dem ersten Schimmer am Horizont ist noch nicht viel über den Tag zu lesen. Krähen fliegen schimpfend und in großen Scharen zu den Bäumen am Fluss, und die einzige schon helle Wohnung hinter den Höfen wirkt wie ein seltsamer Spiegel inmitten der verwehenden Nacht. Erster Kaffee, und Beobachten der unsortierten, unförmigen Gedanken, die noch wie Schneeflocken über den Dingen treiben. Schließlich schreit ein Wecker hinter den Mauern, jemand gähnt hörbar, ein träger Anbeginn formt sich. Habt es mild heute.