Anderer Morgen, selber Ort. Kleiner Rhythmus des Erwachens im größeren Rhythmus zwischen den Orten. Warten am Fenster. Auf Vögel im Futterhaus. Auf das zurückkehrende Licht. Auf die Sonne. Auf den Frühling. Erster Kaffee, merklich nach den Kirchglocken, die der Wind des Tages ohnehin eher für sich und den Wald behielt. Frösteln, auch in Resten von Müdigkeit. Noch sind Gedanken und Stimme kratzig, noch ist der Sonntag unfertig und vage. Habt es mild heute!
Immer wieder erste Schritte. Bad, Treppenhaus, Hof, Wäschekeller. Helle Konstellationen hoch über schwarzen Bäumen, noch alles umschlossen von dichter, tiefer Stille. Dem eigenen Atem nachschauen, dort, wo der trübe Kegel der Lampe ruht. Den eigenen Puls fühlen, fast hören in der Abwesenheit anderer Klänge. Verharren, bis die Hände klamm werden und die Routine ihre Zeit fordert. Küchenschweigen, Kaffee und die eigenartigen Realitäten schlafschwerer früher Augenblicke. Habt es mild heute.
Nächte werden länger, wenn genügend Unruhe in einem lebt. Und trotzdem sind die Stunden vor dem Erwachen dann immer wieder nur ein Zwinkern, vorübergehend und viel zu kurz. Heute wieder gewohnte Wege, die Hecken voller laut singender Vögel, eine lose Folge von Maulwurfshügeln in der schwach grünen Wiese. Auf einem Balkon sitzt eine große dunkle Katze hinter sorgsam befestigten Netzen und beobachtet missmutig die Welt hinter ihren Grenzen. Graue Realitätshorizonte, und dazwischen Wald und Park. Fast ein Versprechen. Habt es mild heute.
Wieder Auge in Auge mit dem frühen Leben. Küchenwärme. Radio, das Bizarre erster Nachrichten und der Musik, die sie einfasst. Monologe des Kühlschranks, der heute eher beleidigt als müde klingt. Immer noch jener kleine rote Stern vor dem Fenster und immer noch Welt dahinter als bildlose Ahnung. Erster Kaffee, Wasser, Brot. Weit vor Erreichen von Normalbetrieb. Habt es mild heute!
Erwachen aus konfusen Nachtbildern, Augenblicke später; lange Wege, alte Gemäuer, enge Räume, Empfindungen, die sich bis in die bewusste Welt ziehen und ein Puls, der Zeit braucht, um sein gewohntes Schrittmaß zu finden. Heimbüro. Zettel mit kaum noch zu entziffernden Stichpunkten auf einem staubigen Tisch, die abgestandene Luft trägt noch viel der Gespräche und Diskussionen der zurückliegenden Woche in sich, und die erste Herausforderung des jungen Tages wird wieder sein, einen halbwegs klaren, geordneten Einstieg zu finden in das Durcheinander, das man immer zurücklässt und erst im Nachhinein so wahrnimmt. Kaffee mit Blick auf die Stadt. Tiefe Dunkelheit. Halbmond. Schweigen. Habt es mild heute!