Die Fenster blieben geöffnet, eine ganze Nacht. Spät fanden die Höfe ihre Stille, spät wurden die letzten Balkone zurückgelassen, die letzten Gespräche beschlossen. Taumelnd durch kurze Tage, sich noch gegen den Herbst in der Seele wehrend, Winter im Gemüt, und immer festhalten an der Hoffnung auf Schnee, all das Grau zu bedecken, all das Unfertige, Aufgeriebene, Zerkratzte und Verletzte, und sei es nur für ein paar Wochen. Zwiesprache mit Krähen und Elstern, und am Ende doch nur Monologe. Erste Schritte, vor dem ersten Kaffee. Das Beruhigende in Routinen des Erwachens. Habt es mild heute. 

Früh am Morgen, mental mitten in der Nacht. Schon seit einer Stunde auf den Beinen und sich selbst immer noch zusammensammeln in den verschiedenen Ecken, in denen man mit der Dunkelheit verschwand. Stadtduft Stadtgesang Stadtfinsternis. Zwei Rollkoffer auf dem Weg zur Haltestelle. Sturm klappert mit Dosen und Türen und Schindeln und allem, was sich sonst in seine Bahn wagt. Radio wieder stummgeschalten, erster Kaffee, das Beängstigende leerer weißer Blätter. Auch: Wieder abgemeldet von allem, wieder Zugang finden, mechanisch, und keine weiteren Fragen stellen. Es gibt wichtigere Dinge, an denen man Energie verschwenden kann. Immer wieder. Habt es mild heute!

Immer wieder an den Rändern der Nacht: Den Schlaf verlieren, die Träume verlieren, das frühe Selbst ertragen, zu sich kommen. Blicke über die Häuserzeile schweifen lassen, aus kleinen Augen; raten, welche der Lichterketten, Weihnachtsbäume, Sterne früh bewusst geweckt werden und welche der kalten Rationalität von Uhren folgen. Baumaschinen, Lieferverkehr, Morgenbus. Ein Passant, ein kleiner matter Bildschirm, ein Hund mit rot-grün leuchtendem Halsband und das innere Auge denkt dazu eine rote Mütze mit weißem Saum in die Wirklichkeit, warum auch immer. Kaffee im Heimbüro. Altes und neues Liegengebliebenes. Der Inselstein in der Hand, blockierte Tasten. Noch kein wirklicher Zugang zu einigen Bereichen des neuen Tages. Habt es mild heute!

Frühe Zwiesprache mit Mond, einige Stunden weiter und immer noch halb im Nebel: Man wurde sich fremd, aber man erkennt sich noch. Man hält sich selbst bedeckt, um anderem Glanz, anderen Schimmer Raum und Bühne zu geben. In der Ferne, dort hinter dem Fluss, dröhnt ein Zug an Siedlungen und Gewerbegebieten vorbei. Flugzeugmotoren singen. Unten gähnt man laut, der Wecker wurde vergessen oder übersprungen und trotzdem findet man aus dem Schlaf in die Abläufe, deren Alltäglichkeit beruhigend wirkt, insbesondere früh am Morgen, wenn die Realität noch unfertig und nackt ist. Erster Kaffee. Einstudierte Bewegungsmuster. Und Planung als Absichtserklärung. Immerhin. Habt es mild heute!