Spätes Einschlafen, Erwachen gerade so weit vor dem Wecker, dass es wenig Sinn hat, die Augen nochmal für länger zu schließen, aber auch noch zu früh ist, schon aufzustehen. Und plötzlich findet man sich in der Bahn wieder, Kurzzug, stehend an der Tür, um weit genug weg bleiben zu können von Allem. Umtanzt von Ampeln und Laternen und Reflektionen von Ampeln und Laternen und den Blicken von Verkehrsschildern und Richtungspfeilen, die vom Asphalt her indifferent und kühl durch das Glas der Türe starren. (Im anderen Hof, Minuten weiter, duftet es nach Kaffee und Zimt, obwohl die Büros ringsum alle noch schlafen, und für einen Augenblick erahnt man dunkel den Hausmeister in irgendeiner Ecke bei seinem improvisierten Frühstück, findet das orangefarbene Glimmen aber nicht und sieht zu, dass man in den Fahrstuhl und wieder hoch über die Dinge kommt. Gruß in den Sonnenaufgang. Reihenfolgen und Durcheinander. Das Übliche eben, auch heute. Habt den Morgen mild!)

Erwachen noch weit vor dem Tag: Das unsichere Vergnügen des Pendelns an einem kalten Morgen. Für ein paar Minuten wortlos, gedankenlos beobachten, wie Straßen, Kreuzungen, Kirchtürme hinter der Bahn vorüberziehen und kleiner werden um diesen Fixpunkt herum, der immer in der Mitte des Blickes, immer unbewegt scheint. Und dann umsiedeln, weil das Husten und die Nähe unangenehm und aufdringlich werden. Irgendwo weiter streift man den hell erleuchteten Gang des alten Büros, ist für einen knappen, schwer zu ordnenden Augenblick wieder dort, in den besten Zeiten in den schwierigsten Zeiten, die die Erinnerung preisgibt. (Dann wieder Straße unter den Füßen. Der Niederschlag ist unsichtbar und nadelspitz, fliegt mit dem Wind und pflügt durch die Haare bis auf die Kopfhaut. Im neuen Büro steht ein Weihnachtsbaum am Terrassenfenster, dessen Glanz bis in den Hof reicht. Es gibt schlechtere Bilder, zum Ankommen. Habt es mild heute!)

Am späteren Ende der heutigen Distanz: Wanderung zur nächsten Haltestelle, um mit Bewegung der Kälte zu begegnen. Geschicktes Überbrücken jener Stunden, zu denen die Züge übervoll sind. In der Mitte des Wagens tanzt eine junge Frau mit ihrem Spiegelbild und unsichtbaren Partnern, singt so stimmlos wie hingebungsvoll zur Musik ihrer Kopfhörer, hält nur inne, dann und wann, um Texte in ihr Telefon zu tippen, mit schnellen Fingern und abwesendem Lächeln. Die Blicke der umgebenden Alten, irritiert, peinlich berührt, empört, anzüglich, nimmt sie gar nicht wahr, und vielleicht gibt es schlechtere Ideen, sich in den Dingen zurechtzufinden, ohne durch Widerwärtigkeiten dieser Zeit zerrieben zu werden. (Hinter den Gleisen ziehen erleuchtete Viertel vorüber. Erste Weihnachtsbäume, bunte Holzbuden und Glühwein. Irgendwann kurz vor Advent.)

Früher Morgen, der böige Wind blieb, zupft an den Haaren, wirft dann und wann Laub und die gestrigen Zeitungen vor die Füße. Zu viel Nähe, schon an der Haltestelle. Über die Tafeln gleiten imaginäre Züge, die kommen und weiterziehen, ohne wirklich den Bahnsteig zu sehen. Noch scheint die Logik uneins mit der Realität. Hinter den Türen nimmt die Enge zu, also zieht man sich seitwärts zurück und bleibt im Gedankentunnel, bis die Füße wieder Straße des anderen Viertels berühren. (Aussteigen auch aus der Nacht, zumindest im Gefühl. Die Stimme wecken. Sich selbst für einige Sekunden beobachten. Und dann arbeiten mit dem, was man gesehen hat. Kommt gut in den Tag!)

Früher Morgen: Müde genug. Fahrt in Kurven um tanzendes Laub, im mentalen Autopilot, weil einen nichts daran hindert. Steuern durch das Unwägbare, durch Polizeistreifen, die am Wegesrand wachen, durch enge Gassen, über denen Laternen an Drahtseilen im Wind schwanken und merkwürdiges Flackern über die feuchten Steine schicken, vorbei an den Wohnhäusern, in denen noch Nachtlichter in der Dunkelheit schlafender Räume schimmern und vorbeiziehend eine freundliche Wärme aussenden. Bürotüren, leere Küche Umplanen des Tages. Stille der Augenblicke, zwischen Kaffeemaschine und Springbrunnen. Habt es mild heute!

Noch vor dem richtigen Morgen ist dann alles Wasserherbst und Regen. Regen, der sich in tiefen Pfützen entlang der Straße sammelt und vom frühen Verkehr in Vorhängen auf die Wege geworfen wird. Regen, der in kurzer Zeit Hosen und Schuhe dunkel und kalt werden lässt. Regen, der sich immer wieder schwallweise über die Fenster der Bahn ergießt. Regen, der mit dem Wind in Kleidung und Gesicht geworfen wird an jeder Haltestelle, an der die Türen öffnen. Und plötzlich ist alles wieder enger, zwischen Teenagern und flimmernden Bildern auf kleinen Displays, hustenden Pendlern unter schlechtem Parfum, schwer bepackten schmutzigen Rädern an Un-Plätzen zwischen Reihen und Sitzen. Fokus auf die Nasenspitze und die beschlagenen Scheiben. Ausblenden von allem, was der Moment gerade nicht braucht. Und Aufatmen erst hinter der Glasfront am eigenen Schreibtisch, hinter der die Welt heute aus milchig-nassem Licht besteht. Erst einmal ankommen. Und Kaffee. Damit der Tag sich fügt. Habt es mild und trocken heute!