Wieder im Wochenmorgen. Die noch schemenhaften Bäume hinter den gegenüberliegenden Dächern scheinen in den letzten Tagen merklich gewachsen zu sein. Unten glänzt nasse Straße. Früher Verkehr wird langsam stärker, und von einem Augenblick auf den anderen beginnt es dicht und heftig zu regnen. An der Haltestelle ziehen sich die Schatten in den Schutz des Unterstandes zurück. Währenddessen steht Kaffee im Heimbüro auf der Heizung, Kunstlicht versucht an Kraft zu gewinnen, der Montag streift sich das Schlaftrunkene ab. (Auge in Auge mit dem Kalender, das Blau wirkt matter als sonst selbst dort, wo sich die Blöcke überlagern. Also Ordnung schaffen, erst einmal. Vorsichtig die Zehenspitze in den Strom der Woche halten, fühlen, wie schnell die Dinge heute fließen. Vorbereitung schadet nie. Habt es mild heute!)

Immer wieder unterwegs. Kurz genug die Nacht, der Morgen noch zaghaft und matt, viel Loses treibt durch den Geist, viel Alltägliches bleibt mechanisch. Umfahren von Kreuzungen, die man heute nicht sehen möchte. Anderer Beton als sonst unter den Reifen. Die bunten Kräne scheinen hier in den Hochspannungsleitungen zu hängen, ein dunkler Vogel sitzt auf der Laterne und beobachtet uninteressiert einen nahenden Sonnenaufgang. Irgendwann schließt der Fahrstuhl, wird aus dem dunklen Keller eine stahlmatte, vertraute Reflektion in Grau, die sich neute schwunglos und noch ungeordneter als sonst anfühlt. (Zweiter Kaffee, Blick über das flache Dach hin zu Hügeln und Wald. Schritte durch die ersten Punkte des Tages, bislang noch nur als Idee. Noch ist etwas Zeit. Habt es mild heute!)

Dann liegt der Sonntag hell und wach vor den Fenstern, wie aufgeschreckt aus tiefen langen Träumen. Schreie von Myriaden kleiner Vögeln erfüllen die Höfe, die Krähen sitzen stumm auf den Antennen und beobachten reglos. Unten lärmt das Leben im Bad, Wasser plätschert in der Wanne, das Radio spielt gedämpfte Musik. (Unvermeidlich wieder das kurze Stolpern im Versuch, Seele und Zeit in Einklang zu bringen. Und langsamer Übergang in die Erkenntnis, dass der Sommer jetzt wirklich und endgültig vorüber ist. Zu früh für den Bäcker, zu spät für mehr Bett. Noch mehr unschlüssige Momente "dazwischen". Habt es mild heute!)

Auf der anderen Seite der Nacht: Ein Heißluftballon rauscht über die Dächer, durch die Höfe klingen schon die Stimmen munterer Kinder zusammen mit denen der frühen Vögel in noch größtenteils grünen Bäumen. Ahnungen von Nebel liegen über dem Morgen, weiße Sonne gießt weißes Licht auf die völlig verschlafene Straße. Ein Nachbar in kurzen Hosen und Sandalen raucht die erste Zigarette auf dem Weg zum Bäcker, der Anblick passt so gar nicht zum eigenen Temperaturempfinden dieser frühen Stunde. Trotzdem langsam los: Wasser ins noch graue Gesicht spritzen. Brötchen. Kaffee. Und dann dem Morgen ein wenig Richtung geben, damit der Sonntag nicht vollends versumpft. Habt es mild heute!

Samstagmorgen. Vom Fluss her zieht Nebel zwischen die Häuser, strahlt diffus in erster Sonne, umhüllt und dämpft alles, was die Dunkelheit zurückließ und der Tag schon weckte. Noch fehlt erster Kaffee, noch hält sich vieles an den Träumen einer tiefen Nacht fest. Ferner: Wer abends nicht mitdenkt, steht früh im Supermarkt des geringsten Misstrauens und beobachtet verschlafen, wie die Regale und Kühltruhen erwachen - ein seltenes und eher fragwürdiges Vergnügen. Übungen in Smalltalk und Interaktion zur Unzeit, dann schließen automatische Türen und der Morgen kann Form finden. Habt es mild heute!