Kein Zwinkern weiter gilt es wieder Wolken zu fangen. Erwachen, kühler als gedacht, wärmer als befürchtet. Das Privileg kurzer Wege, entlang von Infrastruktur, dunklen Wohnhäusern, ersten hellen Büros. Bilder fliegen, Ton dünner Räder und gelegentliches, durch Mark und Bein gehendes Rumpeln sorgen für Bodenständigkeit und den Kontakt zu all den bekannten und trotzdem immer wieder überraschenden Unebenheiten, Spurrinnen, Schlaglöchern dieser Welt. (Viel zu viel gedankliche Symbolik inmitten fremder Viertel. Besser: Büroküche, zweiter Kaffee, Zimmertür. Sonnenaufgang ostwärts über den Hügeln. Noch planlos, aber zumindest motiviert. Habt es mild heute!)

In der Frühe leben verknittertes Blinzeln und schnelles Erwachen: Anfahren gegen die Böen, den Wind. Versuch, Balance zu halten, Spur zu halten, nicht aus dem Sattel zu fallen. Tunnelblick auf einen virtuellen Punkt wenige Meter voraus, der über löchrige Straßen, nasse Pflastersteine, schlammige Seitenwege gleitet. Mond verzieht sich in Wolken gehüllt hinter den Horizont, ohne wirklich richtig wahrgenommen werden zu können. (Schließlich: Schlagende Fenster und Türen entlang der Büroflure. Erstes Flackern in ersten Zimmern. Krause Wellen ziehen tief unten durch die Hofnacht, der Springbrunnen schweigt noch immer. Zweiter Kaffe, erste Pläne. Mittwochmorgen. Habt es mild heute!)

Etwas weiter: Immer wieder unterwegs. Beobachtungen von Büropflanzen, die im ersten Obergeschoss neben der Straßenbahn vorbeiziehen, und der Versuch, auf die Menschen dahinter zu schließen - sicher grob daneben. In den matten Scheiben spiegelt sich morgendlicher Berufsverkehr, Augen und Erinnerungen erkennen Gesichter, die altershalber nicht ins Jetzt passen, vor allem auch nicht ins Hier gehören. Und plötzlich erliegt man kurzer Panik, weil die Orientierung über diesen Beobachtungen Strecke und Haltestellen aus dem Blick verloren hat, man sich irgendwo und falsch und zu spät fühlt und zu viele unangenehme Sekunden braucht, wieder mit der Realität in Takt zu kommen. (Dann: Zweiter Kaffee, Büroküche. Noch kein Kalender. Dafür Zeichen naher Sonne, immerhin. Habt es mild heute!)

Knapp über Null. Taupunkte. Nacht erfüllt vom Lärm des Eises, über Schiefer rutschend, aus Schneefängen brechend, hart auf die Steine der Höfe, die Mülltonnen, die Gehwege schlagend. An der Kreuzung sind die Hausmeister schon mit Schaufeln zugange, die verbliebenen Spuren zu beseitigen. Hinter der Wand gähnt man hörbar, Fußboden zittert unter ersten Schritten. Die Maschinen werden wieder lauter. (Auch: Luft aus den Heizkörpern strömen lassen, während das Kaffeewasser kocht. Das Radio wieder abstellen und überlegen, ob dem Erwachen zukünftig andere akustische Rituale folgen sollten. Kopfschüttelnd über den Tageskalender blicken und versuchen, die eigenen Ziele der vergangenen Woche zu verstehen. Diese gewohnte Stunde fühlt sich viel zu früh an. Habt es mild heute!)

Morgenfrost, als Wetterlage und Zustand. Bewusster Versuch, nicht zu lesen oder zu schreiben, die Welt nur so vage wahrzunehmen wie die Scheinwerfer hinter den überfrorenen Plexiglasscheiben der Haltestellen. Raum um sich, als Sicherheitsabstand zu allem, was man um diese Zeit noch nicht in der eigenen Realität verortet bekommt. Aber auch als Leere, in der man vor dem zweiten Kaffee auf sich selbst trifft und merkt: Das ist nicht unbedingt besser. Irgendwann schaltet man die Kopfhörer ab, weil man den Faden des Gesprochenen lang verloren hat und die Worte irgendwo in einer Handlung keinen Sinn mehr ergeben, beobachtet stattdessen die anderen Pendler im Zug, die eigenen Privilegien, das Heraufziehen neuer Dämmerung, die Farben dies- und jenseits der Gleise. Und freut sich, wenn die Türen endlich wieder hinter einem schließen. (Das Schweigen früher Büroflure im letzten Obergeschoss. Und nur Spuren von Wolken. Habt es mild heute!)