Abmelden, Anmelden. Bildschirm entsperrt, unterbrochene Verbindungen zusammensuchen und wiederherstellen. Dazwischen liegt ein Spaziergang im durchdringenden Wind. Ein Exkurs durch Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten des Alltags im Heimbüro. Eine vorsichtige Navigation durch vollgestellte Gänge im Supermarkt des geringsten Misstrauens, in dem die Weihnachtsware schon fast wieder ausgemustert wird. Ein jung gebliebener Großvater steuert einen grotesk großen, mit "Enkelkutsche" etikettierten Jeep vom Parkplatz. An der Ecke zwischen Haltestelle und Bauzaun gestikulieren zwei Passanten mit einem Smartphone und schimpfen über Gesehenes, Verstandenes. Ein einzelnes Lindenblatt taumelt gen Rinnstein, die Post zieht von Haus zu Haus. Baggerlärm. Keine weitere Sonne. Kein neuer Schnee.

Hinter dem Mittagshorizont wird es lauter. Baustellenhektik, Laubbläser, Speditionen und das Geplapper einer Schulklasse, die eine Lücke zwischen den Fächern gefunden hat und auf dem Parkplatz ihre Pause verbringt. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens kämpft wenig Personal gegen viel Lieferung an, neben dem Regal mit Mehl und Zucker stehen einige Paletten Weihnachtsbier, die Schlange der Wagen wartet derweil sehr geduldig - oder resigniert - darauf, dass die Papierrolle in der Kasse gewechselt wurde und der normale Prozess wieder anläuft. (Kontaktversuche ablehnen, in kleinen Etappen Notwendigkeiten einsammeln, und dann die Türen hinter sich schließen lassen. Weiter im Text.)

Auch im weiteren Verlauf will der Tag auf Sonne verzichten, dafür strahlt der goldgelbe Baum über dem Hof und lässt seine Blätter wie kleine Lichtflecken auf Steine und Wasser fallen. Die schwierigeren Gespräche führt man zu merkwürdigen Zeiten, die für alle irgendwie "zwischen anderem Wichtigen" liegen. Manchmal sind es kleine Gesten, nach denen man Erleichterung im Gegenüber verspürt, wenn die Punkte fordernd sind und Druck auf allem lastet. Kein Zeit für einen Spaziergang im dünnen Regen heute, dafür übernehmen Kollegen die Kuchenversorgung, der Bäcker verfügt offensichtlich noch über Pflaumen und insgesamt werden die Novemberfarben etwas lichter in solchen Augenblicken. 

Der Mittag: Brot und Kaffee. Archivierung. Datensicherung - und das Abschweifen in seltsamen Überlegungen zu beiden Bestandteilen des Wortes. Dazu Lauschen auf das Wasser in Dachrinne und Fallrohren, die Schritte des Nachbarn im Treppenhaus, den Hausmeister, der gegenüber Mülltonnen durch die weit geöffnete Tür zerrt. Zwei Etagen weiter oben verbrennt eine Zigarette im Aschenbecher, vor dem Küchenfenster, eine dünne Spur aus Rauch verschmilzt mit feinem Nieselgrau. Das Auto des Ordnungsamts parkt an der Kreuzung, im Halteverbot. Vor der Kneipe wartet eine Gruppe Bauarbeiter, und auch sonst versucht jeder, seinen Platz zu halten in einem Tag, der träge, aber bestimmt dahinzieht.

(Wieder die Zeit verpasst: Pflaumenkuchen vom Pappteller am Schreibtisch, mit Blick auf die Studenten von gegenüber, die im Bürohof unerklärliche Dinge tun. Aber vielleicht wirkt das eigene ganztägige Treiben für ferne Beobachter nicht minder unerklärlich und obskur. Hinter den digitalen Fenstern tun Fremdsysteme irgendwoanders auf der Welt ihr Werk, liefern Ergebnisse, die schwer zu fassen sind, und führen einmal mehr vor Augen, dass "gemeint" und "geschrieben" nicht unbedingt deckungsgleich sind. Auch bei Code nicht. Hinter den analogen Fenstern sinkt die Sonne tiefer, schickt lange Finger durch die Schlitze der Jalousien und berührt für einen Augenblick warm und grell. Uhren ticken im Halbstundentakt, die Themen sind groß, die Schritte klein. Einige Blätter des Hof-Ahorns treiben nach einem Windstoß langsam zu Boden, und es wird wieder Nachmittag.)

Später kamen die Wolken zur Ruhe. Nur gelegentlich schlagen noch einzelne Tropfen Wellen in ihren Spiegelbildern, die behäbig über die großen Wasserflächen der Wege des anderen Viertels ziehen. Unterwegs: Schritt für Schritt entlang wackeliger Steine, durch die bewusste Lücke im Plan, den Kopf auslüften, während die meisten Stimmen vorübergehend schweigen. Eine junge Frau manövriert ihren Kinderwagen und einen kleinen, sichtbar nassen und unzufriedenen Hund quer über die Kreuzung, in den Transportern an der Ecke sitzen Bauarbeiter mit großen Brotbüchsen, der Sekretärin der Erdgeschossbüros fällt ein Wust an Papieren und Werbung aus dem vorsichtig geöffneten Briefkasten entgegen. Über allem liegt kühler, unentschlossener Wind. Der Mittag ist Pflaumenkuchen.

Der Mittag: Konversationen mit einem anderen Modell, und Entropie, in gewisser Weise: Gespräche rutschen auf ein Niveau, auf dem irgendwann beide Seiten durch abenteuerliche Thesen verwirrt aussteigen - fraglich bleibt, wer den längeren Atem hat. (Vermutlich zieht den Kürzeren, wer an sich zweifeln kann.) Daneben: Mohnkuchen, Kaffee, und Luft so frisch, wie es der warme Septembersommertag erlaubt. Der Brunnen in den Höfen rauscht, Tauben des Viertels haben neue Aufenthaltsorte in der Fassade gefunden, und gegenüber streitet man sich am Kopierer sichtbar heftig über Unbekanntes. Kleine Reibungsflächen in der großen Stadt.