Etwas weiter, entlang des Planes und seiner Nebenarme, füllt sich der Mittag doch noch mit Sonne. Ein vorsichtiger Wind streicht durch die Springbrunnen des Innenhofs, wirft gelegentlich Tropfen auf grauen Beton. Zwei Etagen weiter oben befreien Fassadenreiniger die Terrassenfenster von den Rückständen der Tauben, mit Hochdruckreiniger und scheinbar viel zu dünn bekleidet für den kühlen Frühherbst. Der Kuchen bringt Kirschen, eine neue Kaffeesorte fordert Gewöhnung, und auf der Liste der Wichtigkeiten versinken die großen Aufgaben immer mehr in angewehtem Kleinkram. (Auch: Ringen mit Lautstärke-Einstellungen und Kopfhörern. Balancieren zwischen Musik und Sprache, unterbewusste Entscheidung für temporäre Erfordernisse. Der nächste Anruf ist hinreichend weit entfernt.)

Pausenmodus, software-definiert: Plötzlich ist man abwesend, in einer Lücke zwischen Terminen, dreht an der Jalousie, um das Licht auf dem Schreibtisch besser zu formen, und überlegt, wie man dem Moment am besten gerecht werden kann. Irgendwo in den Tiefen der abgeschlossenen Betonwelt wird gehämmert und gebohrt, dass die Steine auf dem Tisch zittern. Gegenüber versucht sich ein junger Mann in Blau daran, die Hinterlassenschaften der Tauben von den Fenstern zu entfernen, bewaffnet mit einem Schlauch und anderem obskurem Gerät. Hier laufen die Maschinen an ihre Limits, Modelle lernen und Code ändert seinen Aggregatszustand. (Den Vormittag zu einem handlichen Stapel zusammenschieben, im Rollcontainer verstauen. Unzuordenbare Schnipsel in den Papierkorb pusten. Hinter dem Zenit geht es weiter.)

Wieder Zwiegespräche mit der Sonne, bevor diese hinter den Dächern verschwindet. Pflaumenkuchen, lauwarmer Kaffee, Konservenstimme auf den Ohren - Zurückspulen und Wiederholen von Vergessenem. Zwei Etagen weiter unten sitzen die Raucher mit Glühwein auf der Terrasse, schon im voranschreitenden Schatten, und diskutieren angeregt. Das große Zimmer daneben liegt verlassen, erfüllt allenfalls von herrenlosen Displays, die neben Tischen voller Papier vor sich hin blinken. (Metaphern von Eile und Bewegung treiben über allem, vielleicht weil die Stunden so klein und flüchtig wirken in diesen Wochen.)

Gefühlt nur einen Augenblick später: In der Straße spielen zwei Nachbarskinder mit Holzwaffen und schreien und brüllen dazu, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her. Aber anders als hier ist der Zorn im Supermarkt des geringsten Misstrauens echt. Vorfeiertagsstimmung. Die Paletten mit Sonderangeboten werden leerer, die Kunden entschlossener, der Ton entgleitet mehr und mehr ins Ruppige. Davon unbeachtet lädt die junge Studentin von gegenüber Wein und Obst in den Wagen, hinter der Kasse, bezahlt mit Kreditkarte. Vertieft in ein Telefonat, in dem es hörbar um das schadlose Herausschleichen aus versprochener Arbeitsleistung geht, nimmt sie die etwa gleichaltrige Kassiererin, die seit dem frühen Morgen in ihrer Schicht sitzt, wohl gar nicht wahr. Gelangweilt spielt der Wind durch die Büsche vor den Türen, warme Sonne lügt von Sommer und helleren Tagen. Der Takt zählt weiter, langsam, aber ruhelos.

Ein Zwinkern weiter, außerhalb der Büroschatten: Später Mittag zwischen den Häusern. Straßenbahn rumpelt durch die nächste Haltestelle, vor dem Supermarkt neben dem Grünstreifen sammeln sich die üblichen Verdächtigen zum Pausenbier. Merkwürdige Diskussionen entstehen, über Politik im Großen und im Kleinen und die verdammenswerte Unfähigkeit aller irgendwie Involvierten, und in manchen Situationen sieht man zu, dass man schnell viel Abstand gewinnt. Das Gerüst vor den Fassaden ist inzwischen bis an die Dachrinne gewachsen, immer wieder klappern Bretter unter den Schritten schwerer Schuhe. Ein ebenso klappriger Aufzug hievt Säcke und Werkzeuge in die Höhe, auch an dessen oberem Ende scheint man gerade Probleme laut lösen zu müssen. Merkwürdige wiederkehrende Muster im Gewebe dieser Wochen. (Immerhin: Pflaumenkuchen und schwarzer Kaffee, aus der schwarzen Tasse. Form wahren, zumindest ein wenig.) 

Später: Apfelkuchen und Passivrauch. Dazu Mineralwasser aus der großen grünen Flasche, um dem Koffein und seiner wunden Nervosität entgegenzuwirken. Die Terrasse ist kühl und windig unter hohem Betondach, durch dessen Ritzen warme Sonnenschwerter schneiden. Nebenan treffen sich Grüppchen von Büro-Uniformierten am Fahrstuhl, jeder umgeben von einer verstörenden Aura aus Geltungsdrang, Egozentrik und Unsicherheit. Unten plätschert derweil der Springbrunnen vor sich hin, Anforderungen für den Nachmittag ordnen sich in einer chaotischen Warteschlange, der Kalender füllt seine Lücken. Immer weiter im Text - die Frage ist nur: In welchem?

(Transit. Windjacke gegen den zumindest vorübergehenden Herbst. Quer über die Plätze, zwischen den Buden hindurch, an denen Touristen Zuckergebäck und Aperol kaufen. Durch die Gassen, in denen das Personal der Restaurants bei einer Zigarette seine Mittagspause verbringt. Vorbei an den neuen Stadtbauten, den mondänen Glasfassaden, vor denen ein vollgepackter Einkaufswagen neben einem verdreckten Schlafsack steht. In der eigenen Straße schimpft ein alter Mann auf eine Gruppe Teenager ein, die ihn geflissentlich ignorieren. Er kämpft umständlich mit seinem Gürtel, sucht irgendetwas in den Taschen der Weste, schiebt seinen Rollator weiter. Stadtbild seit fast zwei Jahrzehnten, fast genau so lang augenscheinlich allein, fast genau so lang kratzig und alt. Es weht kalt vom Park her durch die Straße. Die Stadt hat ihre Kontraste, nur manchmal sieht man sie besser.)

Again close to noon. Early time out, stumbling through the day and out of the building, face into what at least feels like wind. Grinding noise, scent of concrete from the construction site across the streets. A food messenger dispensing lunch to the front door offices. Janitor having a break under the trees and a cigarette where everyone does, too. (Moving slowly, coughing twice, humming to figure out why todays voice felt and sounded different all morning. Considering food or a longer walk, though very likely to choose the easier option.)