Wieder am Rand des Abends ändert das Viertel Farbe und Ton. Die Nachbarn scheinen Möbel zu zerlegen, Klangmuster lassen Hämmer vermuten, aber vielleicht sind die Sinne im Moment auch besonders empfindlich. Kurz vorher: Supermarkt des geringsten Misstrauens. Zitronen, Zucker, Kleinigkeiten. Vermummt, Trotzdem zu viel Nähe, zu viel Enge, zu viel Frust, zu viel Wichtigtuer. Und irgendwie schafft es die Vorsehung immer, jene Ereignisse aufeinanderfallen zu lassen, in denen neues Personal in der Kasse sitzt und ungeduldige, laute Menschen am Selbstzahlerterminal scheitern. Dazwischen Schokolade in goldener Folie, hochprozentige Mischgetränke, schlechte Nachrichten auf schlechtem Papier, und wer kann, lässt den Ort schnell hinter sich.

Mittag neben den Häusern, auf der Straße, in den Gängen, zwischen Regalen. Die Praktikanten im Supermarkt des geringsten Misstrauens haben die Lieferung ausgeladen, schnell, aber falsch. Laute Stimmen, harte Worte inmitten umgelagerter Paletten und  kreuz und quer gestellter Warenträger. Selbstbewusste Kunden stellen die letzten Durchgänge zu, telefonieren und sinnieren weithin hörbar darüber, dass alles immer teurer wird, um dann Hochpreisiges in die Wägen zu stapeln, nach einem Schema, das dem Betrachter vollständig verborgen bleibt. (Ein Tag, der kalt begann und kalt blieb. Ein Tag, an dem die Farbe der Himmel, die Witterung, der eigene Gemütszuschnitt nicht dazu angetan sind, Wärme zu spenden. Fliegen auf ellipsenförmigen Bahnen um eigene Schwerpunkte. Immer wieder zurückfallend in die alten Spuren. Hängengeblieben.)

Zum Mittag finden sich kurze Wege. Supermarkt des geringsten Misstrauens, nur einige ältere Herrschaften, die sich mit Grundnahrungsmitteln und der verfügbaren Tageszeitung eindecken und eine unscharfe Angst vor dem eigenen Altern wecken. Schichtwechsel im Personal, manchmal ist der Gruß freundlicher, wenn sich Menschen gerade nicht in Kleidung, Takt, Zwängen ihrer Routine bewegen. Ferner gehört es zu den schlechteren Ideen, hungrig einkaufen zu gehen, allenfalls der enge zeitliche Rahmen verhindet ein Ausufern so kurz vor dem Wochenende. Stattdessen Beschränkung aufs Notwendige, und das innere Murren über Selbstzahlerkassen, schlechte Software und undurchdachte Prozesse gehört wohl dazu. (Blinzeln in die unerwartete Sonne, wenig später. Postbote, Buchhändler, Apotheker gegenüber. Der nächste Anruf schon in Warteschlange. In Bewegung bleiben.) 

(Montag, auch: Supermarkt des geringsten Misstrauens, um gerissene Lücken aufzufüllen, und um einige Schritte aus der Enge heimischer Bürowirklichkeit zu tun. Kopfhörer unter der Kapuze. Wunsch nach Abstand, spärliche Kommunikation über Blicke, auch weil um diese Zeit hier niemand ist, mit dem man wirklich kommunizieren mag. Banale Dinge in den Wagen packen. Wege durch vollgestellte Gänge finden, sich in den Gedanken an Provisorien verlieren, an Vorübergehendes, das zum Dauerzustand wird. Immer die Hälfte vergessen. Und nach den Wolken starren, draußen, wieder mit dem Asphalt der Straße unter den Sohlen. Kurz genug weg, schnell genug wieder zurück.)

Supermarkt des geringsten Misstrauens. Als Herausforderung des Nachmittags, weil man immer irgendetwas vergisst, das keinen Aufschub duldet. Über den Parkplatz treibt ein Hauch von Gras, der Himmel hängt voll schwerer Wolken, alles Licht wirkt müde und fahl. In den Kopfhörern tritt Julie Simonsen ihre Basstrommeln mit präziser Konsequenz. Die Gedanken vibrieren im Takt. Hinter der automatischen Tür streiten zwei wütende Kinder, bis sie von ihrer Mutter zurechtgewiesen und mit robustem Griff nach draußen geführt werden. An der Grenze der Aufnahmefähigkeit: Weit mehr soziale Interaktionen, als die Stunde braucht.