Dann Supermarkt des geringsten Misstrauens, ohne großen Bedarf, aber wegen der Routine, die stabil genug war, die Zeit seit der Pandemie zu überdauern, und vielleicht deswegen einer gewissen Würdigung bedarf. Die Automaten streiken immer noch, hartnäckig, ungerührt, und die menschlichen Bediensteten versuchen, enstandene Lücken zu füllen. Zudem verweisen resolute Mitarbeiterinnen einen jungen, vornehm gekleideten Mann des Hauses, der ebenso plump versucht hat, Wodka und Zigaretten zu stehlen, wie er im Gespräch darauf verfällt, alle Umstehenden anzupöbeln und zu beleidigen. (Eigener Warenkorb - halbwegs konstant, die Zahl steigt kontinuierlich, Rechenübungen, Sorgenfalten, um so viele und irgendwann auch sich selbst. Der junge Mann schaffte es bis zum Parkplatz hinter dem Haus, schimpft auf Büsche und Wolken und Woche und trinkt Korn aus dem Flachmann, der der Kontrolle entfallen ist. Kälterer Wind, grauer Himmel, erster Regen.)

Fast zwei Stunden, einiges an Übersehenem und Unzufriedenem weiter, findet man sich wieder im Supermarkt des geringsten Misstrauens, umgeben von zu vielen Menschen, in der Rolle und vermutlich auch Gestalt des alternden Kauzes, der grummelig und mehr als nur ein wenig über Kreuz mit sich und der nachmittäglichen Welt über den kalten Boden schlurft und zusammensucht, was eben zusammenzusuchen ist. Zwei kleine Kinder rennen durch die Flure, ziehen ein Kraftfeld hinter sich her, das eine Flasche pürierte Tomaten erfasst, zum Tanzen bringt, auf dem Boden zerschellen lässt. Die Mutter ist sofort zur Stelle, weist die Wilden zurecht, wird selbst zurechtgewiesen von jenem verkniffenen Intellektuellen, der in solcher Situation auch immer da ist und die Gegenwart immer besser als alle anderen zu lesen vermag. (Es gibt Momente und mentale Zuschnitte, in denen sollte man wohl die eigenen Räumlichkeiten nicht verlassen.)

Etwas weiter, Verbindungsaufbau nach Kontextwechsel und einige lose Enden halten bislang, verknotet an den Pflöcken, die mit dem Morgen eingeschlagen wurden. Trotzdem immer noch genug Knäuel. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens treffen sich Gesprächsgruppen mit voll bepackten Wägen, wie immer an jenen Engstellen, die man nicht umgehen und auch nicht meiden kann. Freundlichkeit vor sich her tragen, auch wenn sie einem nicht unbedingt entgegenschlägt. Ferner: Textbausteine, Performance-Einbußen und ein abstraktes Gesicht, gemalt in den Staub auf dem Display einer Selbstzahlerkasse, das unverändert in einem langen, vagen Fehlertext verharrt. Geschichten von Beharrlichkeit und Komplexität, während die Sonne weiterzieht und die Schatten ihre Richtung ändern.

Die richtige Wärme spürt man erst, wenn man Schatten und Wind verlässt. Für einen Augenblick fühlt sich der Asphalt klebrig an, aber vielleicht spielt hier auch nur eine überhitzte Wahrnehmung ihre Streiche. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens sind die Selbstzahlerterminals wieder sichtbarer, das Schild, das über den fortdauernden Defekt informiert, wurde erneuert, sachlich, subtil anklagend, und es drängt sich die Frage auf, ob die Maschinen sich durch solche Bloßstellung beeindrucken lassen. Eine junge, schwer tätowierte Frau wirft Flaschen in den Pfandautomaten, und in jedem Griff rutschen die Tattoos etwas weiter mit den Ärmeln ihres Shirts nach oben, legen blasse Haut frei und geben den eigenen Gedanken Aufgaben, ein weiteres Mal die eigenen Sinne zu hinterfragen. Schließlich: Schatten der Höfe. Kein Wort. Nur Baum und Himmel.

Tanne und Apfelbaum von unten nach oben, darüber blauer Himmel.

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Zwischen den Terminen, Exkurs in die Welt Da Draußen. Schwindelgefühle bei den ersten Schritten über Asphalt, die Luft zu warm zu kalt und ungewohnt. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens wurden Schilder erneuert und Stellflächen umorganisiert, aus den fortgesetzt streikenden Selbstzahlerkassen hängen lange Schlangen von Belegen mit sinnlosen Zeichenfolgen und zumindest geschehen Dinge. Auch: Trügerisches Frischlicht über den Obstauslagen, und der Versuch, sich hinter Regalen aufzuhalten, um Konversationen aus dem Weg zu gehen, für die Stimmung und Fokus fehlt. Blüten am Parkplatzrand. Dichte Wolken. Eine Windböe spielt mit weißen Blättchen und losen Ästen. Es wird Nachmittag, ruhelos und schnell.

Fake-Polaroid von weißen Blüten vor mattem Hintergrund.

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