Nochmal Supermarkt des geringsten Misstrauens. Heimische Frühlingsblumen neben weit gereisten Avocados. Fahrstuhlmusik aus den Lautsprechern, als wäre das Ziel, die Anwesenden langsam weich im Geiste werden zu lassen. Und zumindest partiell geht der Plan wohl auf. Auch: Private Telefonate, viel zu laut im öffentlichen Raum. Und zum Glück kein Bild vom anderen Ende der Verbindung, vor dem man Respekt haben müsste trotz allem. Brüllende Tageszeitung, bunte Werbepresse, eine Diskussion im Kassenbereich über Zigaretten und Alter. Nervöses Augenzucken. Nicht immer ist die eigene Contenance gleich gut belastbar. Und der Abend zögert noch.

(Der Supermarkt des geringsten Misstrauens erlebt Arbeitsverweigerung der Selbstzahlerkassen in zweiter Woche. Der Form der großen schwarzen Buchstaben, die die Worte DEFEKT! quer über die Bildschirme schreiben, haftet spürbarer Frust an, die Blicke der Kassenbedienstenden rangieren eher zwischen entschuldigend und resigniert. Mittlerweile hat das Personal die unwilligen Automaten versteckt hinter einem Regal mit hochprozentigen Mixgetränken und einem übermannshohen Aufsteller, der seltsame Prämien für die Offenlegung eigener Konsumgewohnheiten verspricht. Und vielleicht ist alles nur eine Frage der Reihenfolge.)

Zwischen den Wettern, Schichtwechsel im Supermarkt des geringsten Misstrauens. Die Selbstzahlerkassen haben sich verabschiedet, wieder, und vermutlich wieder ein Softwarefehler. Kann man nichts machen. Personaleinkauf, mit Mobilgerät und Rabattkarte. Samstag als Realität, Montag schon als Ahnung, aber die Gespräche sind noch entspannt. Irgendwo weit hinten in der Schlange regt sich zornige Eile, aber die Eiligen sind meist die Unangenehmen, und die Belegschaft hat längst gelernt, wen man wann ignorieren sollte. Schneesturm als Aprillaune vor automatischen Türen. Ein verschneiter Porsche, Familienausführung. Eine überquellende Mülltonne. Und Tropfenwellen auf großen Pfützen. Fast schon Sonne, verschämt und still ganz an den Ecken des Augenblicks. 

Etwas später, Außenwelt. Sichelmond über Flachbauten und ihre Anmut verzaubert. Erstaunt, wie sehr sich Rituale des vergangenen Jahres manifestiert haben. Der Abend ist trocken, klar, kalt. Letzte Brigade Weihnachtsmänner, preisgesenkt, und gestörte Elektrik im Supermarkt des geringsten Misstrauens. Eine junge Frau mit abwesendem Blick soll den Kunden die Vorzüge von Rabattkarten verkaufen, Enthusiasmus und Erfolg halten sich in Grenzen. Auch: Zu aufdringliche Telefonate. Boulevardpresse, Schlagzeilenpuls. Aber zumindest die Musik schweigt. Betonstille, Neon-Aura. 

Sichelmond in später Dämmerung. Wolken, Stadtleuchte mit mehreren Flammen im Vordergrund. Flachdach darunter.

📷 lost-in-moments 

Wieder am Rand des Abends ändert das Viertel Farbe und Ton. Die Nachbarn scheinen Möbel zu zerlegen, Klangmuster lassen Hämmer vermuten, aber vielleicht sind die Sinne im Moment auch besonders empfindlich. Kurz vorher: Supermarkt des geringsten Misstrauens. Zitronen, Zucker, Kleinigkeiten. Vermummt, Trotzdem zu viel Nähe, zu viel Enge, zu viel Frust, zu viel Wichtigtuer. Und irgendwie schafft es die Vorsehung immer, jene Ereignisse aufeinanderfallen zu lassen, in denen neues Personal in der Kasse sitzt und ungeduldige, laute Menschen am Selbstzahlerterminal scheitern. Dazwischen Schokolade in goldener Folie, hochprozentige Mischgetränke, schlechte Nachrichten auf schlechtem Papier, und wer kann, lässt den Ort schnell hinter sich.