Merklich weiter, mit der Dämmerung in das Viertel schleichend: Duft der gewohnten Stadt. Einige vertraute Gesichter. Herstellen minimaler Ordnung. Und Supermarkt des geringsten Misstrauens. Nicht aus übermäßig großer Begeisterung, aber aus dem Pragmatismus, Dinge zu finden, ohne daran viel Wahrnehmung und Denken zu verschwenden. An den Selbstzahlerkassen haben die Streikposten gewechselt, ein neues Terminal ruht unter dem bewährten Schild, das über den unerwünschten Betriebszustand informiert. Verschiedene Fragen hängen im Raum. Das Thema bleibt vorsichtig interessant. 

Im Supermarkt des geringsten Misstrauens bricht ein Techniker die Verhandlungen mit den Selbstzahlerterminals ab, schleppt seine Taschen auf den Parkplatz und murmelt im Vorübergehen von Software und alles kaputt. Der Streik geht weiter. An der Kasse werden die Dosen mit Wodka-Cola knapp, das Zigarettenregal ist ebenfalls fast leer. Eine Nachrichtensprecherin hat gute Laune, spricht über Zölle und Erdbeben und man sehnt sich nach der CD zurück, auf der hier seit Anfang des Jahrtausends Natalie Imbruglia ihre einzige Weise singt. Too late. Already torn.

(Supermarkt des geringsten Misstrauens. Streik der Selbstzahlerkassen geht in die nächste Woche, mittlerweile wurden die Bildschirme abgeschaltet und die Kabel für Netzwerk und Stromversorgung achtlos zusammengerollt auf die Packflächen gelegt.  Der Herr hinter der Kasse übt indes Solidarität, indem er plötzlich und unvermittelt in der Tiefe des Marktes verschwindet und unerfreulich lang verschwunden bleibt. Warten, nervös. Nebenan altes Bier in neuen Dosen, die andere Gestaltung wirkt wenig origineller und wird sicher nichts an der Qualität des Inhaltes verbessern. Pläne, Schokolade in Griffnähe aufzuessen. Ein Blinzeln in die Kamera, dann wird die Idee verworfen. Irgendwann dann doch Schritte über den Parkplatz, durch den Wind, das Knistern trockenen alten Herbstes. Man wartet immer so lang, bis die Eile kaum noch beherrschbar ist.)

Trockene Disteln vor Drahtzaun und grauem Himmel

📷 lost-in-moments

Nochmal Supermarkt des geringsten Misstrauens. Heimische Frühlingsblumen neben weit gereisten Avocados. Fahrstuhlmusik aus den Lautsprechern, als wäre das Ziel, die Anwesenden langsam weich im Geiste werden zu lassen. Und zumindest partiell geht der Plan wohl auf. Auch: Private Telefonate, viel zu laut im öffentlichen Raum. Und zum Glück kein Bild vom anderen Ende der Verbindung, vor dem man Respekt haben müsste trotz allem. Brüllende Tageszeitung, bunte Werbepresse, eine Diskussion im Kassenbereich über Zigaretten und Alter. Nervöses Augenzucken. Nicht immer ist die eigene Contenance gleich gut belastbar. Und der Abend zögert noch.

(Der Supermarkt des geringsten Misstrauens erlebt Arbeitsverweigerung der Selbstzahlerkassen in zweiter Woche. Der Form der großen schwarzen Buchstaben, die die Worte DEFEKT! quer über die Bildschirme schreiben, haftet spürbarer Frust an, die Blicke der Kassenbedienstenden rangieren eher zwischen entschuldigend und resigniert. Mittlerweile hat das Personal die unwilligen Automaten versteckt hinter einem Regal mit hochprozentigen Mixgetränken und einem übermannshohen Aufsteller, der seltsame Prämien für die Offenlegung eigener Konsumgewohnheiten verspricht. Und vielleicht ist alles nur eine Frage der Reihenfolge.)