Immer noch ist die Akzeptanz nicht besonders groß für die Selbstzahlerkassen im Supermarkt des geringsten Misstrauens, dafür werden die Schlangen an den gewohnten Bändern länger, die Gänge im Rückstau voller. Heute treffen besonders unsichere junge Bedienstete auf besonders selbstbewusste Kunden, die keine Zeit und keine Lust haben und allesamt viel zu wichtig sind, zwischen Müllbeuteln und Kisten voller Standard-Pilsener zu stehen und sich auch nicht zurückhalten können, allen anderen das Warten durch missmutiges Gebrabbel noch schwerer zu machen. Ein vollständig rosafarben gekleidetes, sehr junges Mädchen flieht erneut in Richtung Süßwarenabteilung, gefolgt von einem sichtlich gestressten Vater, der Nachdruck mit Lautstärke verwechselt und viel mehr Familien-Interna unter dem kalt leuchtenden Neonhimmel zurückläßt, als es ihm wohl bewusst sein dürfte. (Zumindest dabei entsteht hier und dort Erheiterung, huscht ein gelegentliches Grinsen über müde Gesichter. Ziel auch erreicht. Irgendwie. Draußen fällt ein Fahrrad um. Es wird Abend.) 

Etwas orientierungslos, einiges weiter durch die Zeit. Der Praktikant im Supermarkt des geringsten Misstrauens hockt im Vorraum auf dem Fußboden und isst Nudeln aus einer Pappschachtel. Neue Waren in alten Fluren sorgen für Gedränge auch bei wenigen Besuchern. Ein zorniger junger Mensch schiebt sich durch die Enge, zwei schwere Packtaschen links und rechts am Wagen hängend, und brennt mit Blicken jeden, der nicht schnell genug das Weite gesucht hat. Draußen schneiden Bauarbeiter mit einer großen Säge in die Straße, der Klang geht durch Mark und Bein. Rückzug, schnell. (Auch: Sinnieren über allgemeines Tempo und eigene Schrittgeschwindigkeiten. Auge in Auge mit dem Gefühl, an verschiedenen Stellen den Anschluss zu verlieren, und der noch seltsameren Wahrnehmung, an manchen Stellen den Anschluss bewusst verlieren zu wollen. Tee unter bleichem Himmel. Nachmittag.)

Halb durch den Tag und immer noch nicht gänzlich bewusst. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens unterhalten sich fremde Kunden mit fremdem Personal, die Gänge sind überfüllter mit Warenträgern als an einem normalen Freitag. Der junge Mann an der Kasse wirkt heillos überfordert mit der länger werdenden Schlange, eine freundliche, aber ebenso hilflose Praktikantin versucht erfolglos, die Kunden auf die neue Linie aus Selbstzahlerautomaten umzuleiten, und für den Moment bleibt gänzlich verborgen, wo hier Absicht im Plan sind und wo der Plan komplett versagt hat. (Auch: Unerwünschte Nebenwirkungen von gutem Willen spüren, auf der Seite des Empfängers. Immer gerade genug Lächeln mit sich führen, um Situationen zu entschärfen und trotzdem halbwegs im Einklang mit sich zu bleiben. Gelbe Blüten über dem Beton. Indifferentes Licht.)

Unterwegs durch denselben Baustellenlärm an einem anderen Mittag. Im Supermarkt des geringsten Misstrauens dankt die einzige festangestellte Mitarbeiterin den jungen Praktikanten, die es geschafft haben, alle gelieferten Waren in alle Regale zu räumen. Ein grauer Dutt wandert über dickem Pelzmantel durch die Gänge, beides gehört zu einem älteren Herrn, der sich ebenso enthusiastisch wie planlos müht, seinen langen Einkaufszettel abzuarbeiten, bislang aber nur Porree und Salzstangen in seinem Wagen fährt. Die Auslagen mit Gemüse und Blumen stimmen genau so trübsinnig wie das Regal mit der Tagespresse, und viel davon scheint auf die Zeitgenossen unter dem Neonhimmel abzufärben: Manchmal erzeugt ein Lächeln ein Lächeln, aber manchmal verschwindet ein Lächeln in seinem Echo. (Bezahlen, Türen öffnen und schließen lassen, den Wolken zunicken. Es darf weitergehen.)

(Supermarkt des geringsten Misstrauens. Eine Gruppe Jugendlicher trifft aufeinander, Grüße und Sprache in starkem Kontrast zu ihrem wütenden Äußeren. Man kauft die üblichen Getränke und Gummibärchen, weil ohne geht es wohl nicht. Der Nachmittag blieb und ist grau, nebenan wird auf der Baustelle der Bagger verschlossen, die Schubkarre hochgezogen. Autos verschwinden in alle Richtungen, dann bewegen sich nur noch die Löwenzahnblüten hinter dem Gitterzaun. Wechsel des Betriebsmodus. Und sei es vorübergehend.)