(Supermarkt des geringsten Misstrauens. Eine Gruppe Jugendlicher trifft aufeinander, Grüße und Sprache in starkem Kontrast zu ihrem wütenden Äußeren. Man kauft die üblichen Getränke und Gummibärchen, weil ohne geht es wohl nicht. Der Nachmittag blieb und ist grau, nebenan wird auf der Baustelle der Bagger verschlossen, die Schubkarre hochgezogen. Autos verschwinden in alle Richtungen, dann bewegen sich nur noch die Löwenzahnblüten hinter dem Gitterzaun. Wechsel des Betriebsmodus. Und sei es vorübergehend.)
Fast Feierabend im Supermarkt des geringsten Misstrauens. Der Spätschicht ist ihre Erschöpfung anzusehen, so viele neue Gesichter, so steril und hart der Neonhimmel, so künstlich und trocken die Luft der Gänge. Entlang des Eingangsbereiches sind die Regale voller unsortiertem Ramsch verschwunden, dafür stapeln sich dort Säcke voller Grillkohle, deren Preis allen aufgedruckten Nachhaltigkeitsversprechen spottet. Eine junge Familie hat den Wagen voller Softdrinks in riesigen Flaschen, der Herr davor kauft nur Zigaretten und eine um Aufmerksamkeit brüllende Tageszeitung. (Jeder wählt seine Drogen irgendwie selbst.)
Heimbüromittag und immer wieder graue Schatten. April spielt über den Straßen, lässt Blütenblätter durch letzte Pfützen tanzen und Passanten in zu dünner Kleidung frieren. Vor dem Supermarkt des geringsten Misstrauens parkt ein überdimensionaler, blitzsauberer Geländewagen auf dem Stellplatz mit dem Rollstuhlschild, nur kurz, während die zugehörige junge Frau mit getönter Brille eine Kiste Sekt in den Kofferraum wuchtet. Drinnen diskutiert ein schmuddelig wirkender Mann mit dem Praktikanten korrekte Rückgabe von Leergut und den maximalen Betrag, den er für gesammelte Flaschen erlösen kann; der Ton ist beiderseits aggressiv und verbissen. In der Warenauslage am Eingang stapeln sich Osterhasen und bunte Eier für Bruchteile ihres ursprünglichen Preises, weg muss, was weg muss, nur der Doppelkorn ist einigermaßen wertstabil. (Suchen, was es braucht. Die Gänge mit wenig Interaktion navigieren. Zusehen, dass Kopf und Geist wieder unter freien Himmel kommen. Und zu verstehen versuchen, warum bestimmte Orte an manchen Tagen besonders fordern.)
Mittag jenseits des Schreibtisches: Der Teppich aus Blütenblättern wird dichter auf dem Parkplatz. Mehr Treiben als sonst an einem Montag im Supermarkt des geringsten Misstrauens, nur ein vertrautes Gesicht hinter der Kasse, der Rest der Gänge fest in der Hand junger Auszubildender und Praktikanten. Ein schwieriger Zustand; man schlängelt sich durch kreuz und quer stehende Paletten, halbleere Wagenträger und Fremde mit voll bepackten Einkaufswägen, versucht Wellen aus Zorn und Frust zu umschiffen und ist dankbar, den Ort schnell hinter sich lassen zu können. Auf dem Fußweg graben Handwerker in den Platten, schaufeln Dreck auf einen Anhänger, schimpfen gelegentlich. Der Nachbar aus dem Erdgeschoss raucht derweil im Hauseingang, man nickt kurze Grüße in die kalte Luft und zieht sich zurück ins Tagwerk. Immer auf halber Strecke, irgendwo in Kalenderlücken.
Morgengrau folgt Mittagsgrau. Vor dem Supermarkt des geringsten Misstrauens sitzt ein älterer Herr auf dem Geländer und raucht, schon seit Stunden. Angestellte und Handwerker trotten durch die Gänge und suchen Kleinigkeiten, die Pausenzeit zu füllen. Kaum noch Blumen, dafür jede Menge altes Gemüse und Zeitschriften mit schlimmen Fotos auf den Titelseiten. Das Personal witzelt, dass die Kunden immer dasselbe zahlen, aber das Kassieren schneller geht, weil die Menge der Artikel kleiner ist als früher, und in die Sätze ist merkliche Bitterkeit gewoben. Am Ausgang quillt ein Karton über mit alten Batterien, eine junge Frau reißt Folie von ihren Waren und stopft sie wütend in den Abfall. Paketboten grüßen einander. Erste Blütenblätter landen auf Autoscheiben. Immer noch keine Sonne.