Und jeden Morgen diesselbe Bilanz: Versuch einer Linie, dort, wo mutmaßlich die Träume enden, auch die dunklen, und die Realität beginnt. Noch nicht wach genug, den Tag zu sehen, aber schon lang nicht mehr im Schlaf genug, um die Illusion paralleler Handlungsstränge in losgelöster Stille aufrechterhalten zu können. Unten knarrt eine Tür, Stühle werden bewegt, ein harter Stoß, ein hartes Wort. Die kleinen Labyrinthe vor dem ersten Kaffee. Habt es mild heute. 

Trainingsbedarf in der Kunst des Vergessens, hier: Dafür Sorge tragen, dass Dinge, die es doch wieder in das Licht der Aufmerksamkeit schaffen wollen, damit warten, bis es dazu auch Tageslicht zu begrüßen gibt. So bleibt der fragile Schlaf, der unstete Traum, die plötzliche Erinnerung an verschobene Themen - und Augenblicke später liegt ein Stapel von Plänen bereit, die den drängenden Fragen nahekommen und doch alle nicht funktionieren, zumindest nicht über den Effekt gestörter Ruhe hinaus. (Schrittweises Eintauchen in die frühen Rituale. Durchatmen. Der Dämmerung entgegenblicken. Und langsam wieder zu sich kommen. Habt es mild heute.)

Die Nacht als Ringen mit dem Schlaf, der sich in der warmen Luft zwischen den Stadtbäumen versteckt, genau so schlecht fangen lässt wie Nebel, und auch darauf verzichtet, sich anzuschleichen, wenn der Körper doch Ruhe vortäuscht. Trotzdem gibt es Stunden seit dem Abend, denen keine bewusste Erinnerung gehört, und vielleicht ist das eine gute Erkenntnis. (Wasser im Gesicht. Wasser im Pott. Das Küchenfenster weit öffnen, die wenigen hellen Rechtecke in den dunklen Wänden hinter den Höfen suchen. Ein anderer Wecker quiekt, eine tiefe Stimme gähnt und schrittweise findet sich der Tag zurecht. Habt es mild heute!)

Einmal mehr, viel zu früh und viel zu nackt, um sich dem Morgen schon stellen zu können. Also sucht man nach Kleidung, Ideen und Hirngespinsten, die eigenen Blößen zu bedecken, verzieht sich in die noch verbliebene Dunkelheit des Bades und zeigt sich der Welt erst wieder, wenn das Spiegelbild halbwegs vertraut und weniger schreckend wirkt. Und dann Kaffee, unter dem Sonnenaufgang. Laute Vögel, uninspirierte Musik, aber Marmelade aus dem Süden und manchmal schwingt etwas Sanftes schon in einer anderen Sprache auf einem bunten Etikett. Habt es mild heute.

Dorfmorgen, alle Arten von Echos in einem unruhigen Inneren, aber das alte Haus duftet noch irgendwie nach Sommern und lässt den Moment etwas leichter werden. Zwielicht, Selbstwerdung, Schatten schwerer Äste und großer Blätter zwischen hier und dem Horizont. Erste Schritte treppab, auf kaltem glattem Holz. Gesicht im Wasser, Augen geschlossen, Hineinhören in die formlose Leere des frühen Morgens. Deutlich vor dem ersten Kaffee. Habt es mild heute!