Das Licht kehrt immer früher zurück. Oder das Bewusstsein gerade später. Heimbüromorgen, am halb geöffneten Fenster. Zweierlei Heißgetränk, Spuren der Nacht abschütteln, das Selbst in Form streichen. Ein leerer Bus fährt durch eine leere Haltestelle, ohne sein Tempo zu verringern. Gegenüber werden Mülltonnen aus der Einfahrt gerollt, hinter der Kreuzung erwacht die Baustelle zu weithin hörbarem Leben, hinter der Wand nur Nachbars Wecker, und es drängen sich kurze Überlegungen zur globalen Vereinheitlichung auch von Klingeltönen auf. Obskure Themen für die Zeit im fliehenden Halbdunkel. Habt es mild heute!
(Keine Notizen. Die Träume blieben aus, oder sie gingen vergessen, oder irgendetwas dazwischen. Zu sich kommen, im Wortsinne, mit den ersten Schritten gen Bad und Spiegel, dankbar für die matte Oberfläche und ihren guten Willen, viele Details zu unterschlagen. Stadtkaltes Wasser auf Wangen und Lippen und Augenlidern und Schläfen, am Kinn nach unten rinnend, auf die Füße tropfend, leichtes Ärgernis ohne wirkliche Relevanz. Und dann erster Kaffee, wieder Küche, Lauschen in die Gespräche der Amseln und den immer noch dösenden Morgenverkehr. Leises Hoffen auf den Frühling. Habt es mild heute!)
Schemenhafter Nacht folgt vager Morgen. Neon-Küchenselbst. Einige Misstöne des Abends klangen nach, sind noch immer hörbar als dünnes kratziges Echo im Gewebe des Augenblicks. Die Vögel des Viertels singen erster Dämmerung entgegen. Hinter der Wand aus bislang lichtlosen Häusern brandet schon deutlich hörbarer Verkehr. Heute: Ein großer Pott Tee, Schiebespiele in Kalendern, beobachtend, wann welche Felder rot und welche grün werden. Kommunikation beginnt dort, wo Prozesse Lücken aufweisen und improvisiert werden muss. Und irgendwann erwachen die Krähen und übertönen die Gedanken des jungen Tages. Habt es mild heute!
Anderer Morgen als Einordnungsaufgabe: Sequenzen der letzten Nacht, Sequenzen der vorangegangenen Nächte, Sequenzen aus Träumen, Sequenzen, die nur im Augenblick entstehen. Frühe Unzulänglichkeiten, wie gehabt, heute in Form von schiefen Kerzen, Staub auf den Regalen, einzelnen Blütenblättern, die die Tulpen zu Boden fallen ließen. Wolkige Dunkelheit noch über allem. Die Amseln begrüßen Stadt und Mittwoch und es bleibt ihr Geheimnis, wieviel Enthusiasmus in den Melodien liegt und wieviel pure unreflektierte Mechanik. (Kaffee am Fensterbrett. Unruhige Nachbarn. Warten auf Sonne oder Nebel und bislang unsicher, in welche Stimmung man gerade schlüpfen will. Habt es mild heute!)
(Die Nacht loslassen. Viel zu schnell. Wie all die Träume und Gedanken und Geschichten dazwischen. Wieder Vögel und Wecker, die in den Höfen miteinander wetteifern. Ein Bus auf seiner frühen Route. Öffnende schließende Haustüren, Motoren im Leerlauf, gegenüber verabschiedet man sich von Straße zu Balkon. Kaffee, vor dem Plan, am Rande des Planes. Verknittert, zerknautscht, noch nicht wieder ganz man selbst. Der Segen dieser Stunden: Zeit haben, wieder zu sich zu werden. Habt es mild heute.)