Bettflucht, Gähnen, ein genickter Gruß in Richtung der einzigen anderen Wohnung jenseits der Straße, die auch schon von Licht erfüllt ist. Der Morgen in aller Klarheit: Erkennen, dass das Fenster des Heimbüros das ganze Wochenende über offen stand. Aus dem Frösteln des Erwachens wird kurzzeitiges Frieren, während das Kaffeewasser zu kochen beginnt. Vor allem anderen: Staub wischen. Maschinen starten. Etwas Platz schaffen. Dinge beiseite räumen, an denen man sonst, körperlich oder geistig, im Ablauf bis zum Nachmittag hängen bleiben könnte. Es ist früh am Montag, und je weniger vermeidbare Hindernisse, desto besser. Kommt gut in die Woche!
Wieder rauscht der Wasserkocher. Tau an den Füßen, Fliederblätter auf der Jacke, in früher Dämmerung wirkt das Grün hinter der Hütte fremder, ursprünglicher, unheimlicher als sonst. Etwas mehr fühlt man sich wie ein nurmehr geduldeter Eindringling hier draußen, wo noch die Tiere der Nacht durch das Unterholz schleichen, Vogelsilhouetten in den Büschen schweigen und alles nach feuchter Wiese und welkendem Laub duftet. Noch einmal durchatmen, bevor der Plan konkreter wird. Ordnung herstellen, aber nur soviel, dass ein Platz für Tasse und Teller bleibt. Und dann hier sein, Fenster und Türe öffnen, auf Sonne warten, den Morgen beginnen lassen. Habt es mild heute!
Freitag: Ein dunklerer Morgen, versteckt hinter Wolken, trüb und schwer zu fassen. Erstaunlich viel Bewegung in der Straße, um diese Zeit: Ein durchdringendes Piepen liegt über den dicht geparkten Autos, dazu das merkwürdige Geräusch von Schritten übergroßer Füße auf nassem Pflaster, die Ursachen von beidem entziehen sich den skeptisch interessierten Blicken. Also Krümelkaffee im Heimbüro. Maschinen starten. Das Modell begrüßen wollen und irgendwo weit hinten in der Warteschlange hängenbleiben - dann eben nicht. Stifte und Zettel sortieren, einiges wegwerfen, anderes erschrocken oben auf den wichtigen Stapel legen, bis zum nächste Mal. Vom Schlaf sprechen wie von einer langen Reise: Wieder ankommen. Warten, bis die Seele aufholt, bevor man darüber berichten mag. Für alles andere ist die Stunde ohnehin noch viel zu früh. Habt es mild heute!
Früh am Tag, und schon deutlich weiter: Vieles seit dem Erwachen ist erfüllt von dem immer wieder staunenden Verharren in Bewunderung des Horizonts, des Lichts, der Farben, die so leicht über der schwarzen Kontur von Wald und Park treiben. Kirchglocken im anderen Viertel, die Weichen der Straßenbahn krachen vor dem nahenden Zug. Noch zu früh für die wirklich großen Bewegungen, also beschränken sich Kontakte am Weg auf erste Pendler, verschlafene Schüler und jene, die die Dunkelheit irgendwie zurückgelassen zu haben scheint. Zwangspause an der letzten Ampel, erste Gespräche, erstes Räuspern, und immer wieder das erschrockene Erstaunen, die eigene Stimme des Morgens zum ersten Mal richtig zu hören. Danach Büroküche, zweiter Kaffee. Für den Schwung, den Geist, die Seele. Für die Routine, und die Möglichkeit, auch andere Gedanken zu finden. Habt es mild heute!
Anderer Morgen, gleiche Räume, gleiches Licht. Erster Krümelkaffee, zwischen Küche und Flur. Kurzes gedankliches Überstreichen der Nacht und ihrer Träume, kurzes Legen einer Linie für heute. Und dann: Wieder unterwegs. Punkte entlang vertrauter Bahnen, an denen man innehält, innehalten muss, die kleinen Veränderungen von Stadt, Welt über Tage hinweg wahrnimmt. Der Rest der Strecke fliegt vorbei als unscharfer Film flüchtiger Eindrücke, in den die Farben eines hellen, wolkendurchzogenen Sonnenaufgangs gewoben sind. Garagenbeton, Flurteppich, öffnende, schließende Türen, das meditative Summen von Maschinen im Halbschlaf. Und Blick über die Brunnen, die geschlossenen und leeren Zimmer. Noch vor allem, vor allen anderen fällt das neue Ankommen leichter. Habt es mild heute!