(Stadtmorgen, früher gefasste Vorsätze und Beurteilung der Ergebnisse: Nicht überzeugend. Immer noch schwierig, Bilder der Nacht festzuhalten. Und meist bekommt man die falschen zu fassen. Unten spielt der Wecker Xylophon, gewohnte Töne, aber Lautstärke und Uhrzeit verblüffen. Wasserkocher, erste Nachrichten, Schritte über Kies und Stein. Nacht hängt noch in den frischen grünen Ästen der Innenhofbäume; über die Dächer fließt Licht. Denken, aber als fest verwundenes Knäuel. Mürrische Einsicht in die eigenen Grenzen zu dieser Zeit. Habt es mild heute.)

Träume wie Szenen eines überlangen Filmes. Dürftiger Soundtrack. Ein Abspann, der nach schon der Hälfte Handlung, Stimmung, Protagonisten dem Vergessen ausliefert. Der kurze Schmerz einer Kralle in der Haut nackten Fußes. Kobold mit schmalen Augen verborgen durch Halbdunkel. Gesicht in lauwarmem Wasser, Haare nach hinten streichen. Augenwischerei dem Sinne des Wortes nach. Vor dem ersten Kaffee sieht der Tag vieles, aber Zusammenhänge gehören noch nicht dazu. Habt es mild heute. 

Und immer ist es irgendwie wieder nach einer Nacht: Entscheidungsfindung über die Reihenfolge der Handgriffe, heute; wenn Dinge liegenblieben, erfordert der Morgen andere Abläufe und deutlich mehr Aufmerksamkeit, als man dem zu gewähren willens oder auch nur imstande ist. Kaffeewasser, unverarbeitet, bereits wieder abkühlend. Die Amseln kommunizieren sehr laut, heute klingt es eher wie ein Streitgespräch quer über den Hof, die Fantasie vermenschlicht das  Treiben, und das eigene Urteil bleibt unsicher, ob die entstehenden Bilder verstörend oder erheiternd sind. Orangenmarmelade auf Knäckebrot. Und: Warten, dass der Geist aus den Labyrinthen späten Schlafs findet. Habt es mild heute!

Kurz nach dem Wecker, immer wieder im Vorsatz, die Zeit oder den Sender zu ändern und Morgennachrichten zu meiden. Unruhige Abende gebären unruhige Nächte, die in wenig überraschenden frühen Stunden enden. Wasserkocher, Bad, ein Gähnen, das in kurzem Selbstgespräch mündet, aber man hat sich noch nicht besonders viel zu erzählen, also trottet man stumm entlang der selbst gesteckten Linie, lässt die Stadt zu sich kommen und bleibt still, so lang die frühen Vögel noch Geschichten zu erzählen wissen. Es gibt schlimmere Beschäftigungen im jungen Tag. Habt es mild heute!

Der Wecker stellt schließlich wieder frühe Realität her. Tänzelnder Gang durch dunkle Flure, badwärts, im Versuch, den Schatten eigener Unzulänglichkeiten und Nebensachen wieder einmal auszuweichen, sich trotzdem Arme und Hände an ihren Kanten schneiden, nicht sichtbar, aber spürbar. Lauwarmes Wasser schmeckt nach Salz und Kalk, die Leitungen gurgeln. Kaffee, Brot, Hoffnungen und Postfächer. Kurz vor dem Takt. Habt es mild heute.