Winter kam mit der Nacht, hält sich rauh und glänzend auf den Dächern. Etwas mehr Licht heute, die Glocken der Kirchen etwas lauter, das Schweigen der Höfe dichter. In jenen Tagen spürt man plötzlich, wie klein der Rest des Jahres wurde, wie schnell die Stunden fließen. Atmen vor dem Spiegel, die Schultern fallen lassen und trotzdem nur kurz Leichtigkeit spüren. Kaltes Wasser, heißes Wasser, Kaffee. Und eine rote Kerze, für den Morgen und das Leise in ihm. Habt es mild heute!

Augenblickstunden weiter, in so viel Dämmerung, wie der frühe Morgen aufzubringen vermag. Immer irgendwie übernächtigt. Gewohnt eisig das Wasser, gewohnt kurz die morgendlichen Routinen innerhalb auskühlender Mauern. Sinnieren über andere Müdigkeit, anderen Schlaf, anderes Erwachen in älterer Heimat, einer anderen Realität und dem Blick auf andere Bilder. Keine Meinung zu all dem, um diese Zeit, keine eher bloßes gedankliches Notieren und Ablegen, zum Anknüpfen in Momenten inneren Leerlaufs. Andere Schritte im Flur, außer den eigenen. Erste frühe Kontakte, Kaffee, Warten auf Sonne und vielleicht die Gänse in der Wiese. Habt es mild heute!

Schließlich: Aufwachen zum Gesang des Herbstwindes in den Ecken und Nischen der Dächer. Schindeln klappern, Bleche zittern, hier und da schlagen Balkontüren und senden beunruhigendesn Klirren in die Hofnacht. Das Heimbüro erwärmt sich langsam, während die eigene Stimmung wieder hängenbleibt an Dingen, die der Abend zuvor liegengelassen hat und über die jeder zweite Schritt mental stolpert. Vorsichtiges Schaffen von Ordnung, gerade so weit, um nicht ins große Durcheinander abzugleiten. Erster Kaffee, die Weihnachtsbeleuchtung gegenüber hat die gesamte Nacht überdauert, im fast leeren Zimmer geht ein junger Mann seiner Morgengymnastik nach. Der Rest des Viertels weilt noch in seinen Träumen und vermutlich gibt es schlimmere Ideen um diese Zeit. Habt es mild heute!

Wenn man den Blick etwas länger bedeckt hält, spürt man den Morgen auf den Augenlidern, noch bevor man ihn sieht. Küchenlampe, ein roter Weihnachtsstern vor Nachtschwarz, Mond kühl und schmal über den Dächern dort, wo nur wenige Stadthäuser Bäume und Parks umzingeln. Durch die Höfe und ihre Leere scheinen Wecker Zwiesprache zu führen. Andere Katzen schimpfen mit fremden Gespenstern. Schlaf noch immer tief in allem. Ein einzelnes Paar Füße unterwegs treppab, die Schritte stocken gelegentlich, ein Fenster wird geöffnet. Dann kocht das Wasser. Erster Kaffee, Knäckebrot, voller Posteingang, bereits verteilte Stunden. Sinnieren den Besitz an Zeit und andere unproduktive Dinge, bevor der Tag Schwung holt. Habt es mild heute! 

Unter dichten Wolken halten sich Nacht und ihre Müdigkeit besonders lang. Bus, Zug, fremde Gesichter, flüchtige Kontakte mit jenen, die schon wieder ihren Weg angetreten sind, und jenen, die noch aufgeregt plappern und nach wunderlichen Dingen duften und vermutlich noch gar nicht im Bett waren. Reflektionen auf Steinen und Beton und irgendwann nehmen die Sinne wahr, dass es in Strömen regnet. (Fahrstuhl, dann. Bürotür. Deckenbeleuchtung flackert auf, Stück für Stück den Gang hinunter, und jeden Tag aufs Neue ringt man gegen ein merkwürdiges Gefühl angesichts dieses Automatismus, inmitten sonst noch völlig leerer Räume. Also: Ankommen. Zweiter Kaffee. Und dann Fokus auf das dichte Blau des Vormittags. Habt es mild heute!)