Stunden weiter, aber unsicher, wie viele. Ein Flickenteppich aus Realitäten und Träumen, der die Zeit lang wirken lässt, aber große Lücken aufweist, in denen die Erinnerung keinen Halt findet. Nervöse Katze und eine Motte auf der falschen Seite der Küchentür, blauer Schimmer des Wasserkochers und einmal mehr unvermittelt die Frage, warum der Kessel überhaupt Licht benötigt. Tagesplan, Wochenplan, langsame Schritte und viel Respekt. Schwung holen, damit der Takt Routine wird und sich der Geist darauf einschwingen kann. Habt es mild heute!

Hinter der nächsten Dämmerung: Einmal mehr den Sonntag begrüßen, jetzt ernsthafter. Warten auf die Kirchglocken, während die Höfe zum frühen Leben erwachen. Teller, Tasse, Messer, nebenan hustet die Kaffeemaschine und anscheinend sind auch diese Nachbarn zurück aus dem Sommer. Das Dorf ist fern gerade, und vieles Gestern auch. Man lässt den Rückblick fallen, weil er sich unwirklich und verstörend anfühlt, und hofft auf die Linderung des neuen Tages. Habt es mild heute. 

(Beeindruckende Erfahrung: Die Lautstärke des eigenen inneren Summens in der Leere dörflichen Morgens. Andauernde Frühherbststimmung über den Hügeln. Die Welt fühlt sich klamm an. Merklich vor dem Erstkontakt mit Kaffee und Spiegel bleiben gewisse Unsicherheiten bezüglich des Selbsts und seiner Bedeutung in der Welt, aber vielleicht ist diese Stunde auch einfach nur klarer als andere. Tiefes Gähnen, Erinnerungen an Dorfhunde und Dorfkatzen und die Zeiten, als noch Schafe und Hühner die benachbarten Wiesen durchquerten. Und immer noch Aufwachen, als erstes Workout des neuen Morgens. Habt es mild heute.)

Einige Stunden weiter, und es dauert seltsame Momente, bis dem Bewusstsein klar wird, dass man selbst die Quelle jener gesummten Melodien ist, die sich seit den letzten Zeiten des Halbschlafes in welcher Wahrnehmung auch immer festgesetzt haben. Die Katze, unbeeindruckt, jagt Fliegen und vielleicht auch Schatten durch den reglosen Flur, in beiden Fällen erfolglos. Ein Zwinkern, Augen zusammenkneifen, das Déjà-vu verfliegen lassen und der Rəalität wieder Platz schaffen inmitten all des Vagen und Ungreifbaren der zurückliegenden Nacht. Küchenkaffee, Knäckebrot, Reste von Orangenmarmelade, Beeren im Joghurt. Manchmal hält die Vorfreude auf die  morgendlichen Routinen sogar den Schlaf zurück. Habt es mild heute!

Träume zulassen. Träume loslassen. Einmal mehr, jeden Morgen. Kaffee in der Küchendämmerung. Nachrichtenaustausch zwischen Vögeln, unsynchronisiert, unbeantwortbar. Zumindest für Außenstehende. Im Hinterhof knirschen die Schritte irgendeines anderen Frühaufstehers, der durch die Büsche und Bäume trottet und das Verschlafene aus jeder Bewegung sprechen lässt. Kommunikationsdefizite, Projektpläne, Ideen und Wünsche. Und daneben realistische Bewertung von Möglichkeiten. Noch ist es früh genug, dass Dinge chaotisch und wirr sein dürfen. Habt es mild heute!