(Nach der Dämmerung ist vor der Dämmerung, das Gähnen dasselbe auf beiden Seiten der Träume. Autotüren öffnen und schließen, die Pendler nebenan brechen heute früher als gewohnt auf in den Gang ihres Morgens. Durchatmen vor dem Spiegel. Beobachtend, wie sich der eigene Brustkorb hebt und senkt. Puls in den Venen, bewegte Nasenflügel. Kurz Blickkontakt suchend, aber schnell ausweichend. Wie so häufig. Merklich vor dem ersten Kaffee, noch am Rande des Erwachens, kein Raum für Experimente gleich welcher Art. Habt es mild heute!)

Die ungewöhnliche Intensität von Monaten, auf Augenblicke komprimiert, in wirren Träumen jener letzten zehn Minuten, für die man vor dem Klingeln des Weckers nochmal einschläft und dann aufschreckt, Zeit und Ort zu verstehen sucht, sich an Möbeln und Schatten stößt, über die eigenen Füße stolpert und irgendwann wieder am Küchentisch sitzt, Tassenwärme spürt und sich müht, der heutigen Realität eigene Konturen zuzuschreiben. Durchblättern der Protokolle der Nacht. Vorsortieren von Wichtigem aus Rauschen. Und Hineinhören in die lauter werdenden Geräusche der Höfe, das vielstimmige Erwachen unter langsam wiederkehrendem Tageslicht. Habt es mild heute!

Bach und Brunnen, den Ton angebend in diesem Morgen. Regen des Nacht, unsicher, ob Realität oder nur Erinnerung an einen Seitenarm vergessener Träume. Die Kirchglocken sind verklungen, einige Häuser weiter bewegen sich die schweren Außenjalousien, ein Moped knattert über den Weg zwischen den Feldern. Dorf erwacht. Irgendwo vor einem ersten Kaffee. Habt es mild heute. 

Im Schlafen, im Erwachen, im Wandel. Noch hallt der Abend nach. Licht vor den Fenstern, erste Bewegungen vorsichtig, darauf bedacht, den mentalen Staub, der sich gesetzt hat, nicht gleich wieder aufzuwirbeln. Haare zurückstreichen. Träume von den Lidern waschen. Den Geschichten des Morgens lauschen, deutlich vor dem ersten Kaffee. Habt es mild heute!

Stillere Tage. Frühes Erwachen, kompakte Abläufe. Das Viertel scheint noch zu schlafen, dünnerer Verkehr auf kleinen und großen Fahrbahnen, keine Bewegung zwischen den Fassaden, soweit der Blick reicht. Gegenüber drängt eine Hundeschnauze durch die halb offene Balkontür, verharrt einen Augenblick bei Morgenluft und zieht sich dann wieder in die Dunkelheit der Räume hinter der Gardine zurück. Angespannte Katze auf der Couch, den Blick gebannt an eine Motte geheftet, die nervös unter der Zimmerdecke flattert. Knäckebrot, Kaffee, und noch wenig Kapazität für bewusstes Denken. Habt es mild heute.