Schlaf verloren, Schlaf gefunden, benommen durch die Nacht getaumelt, von ihrer Kälte gestreift, von den Gesprächen der Krähenschar geweckt. Dunstiges Licht über dem östlichen Horizont, ein hoher blassblauer Himmel, so weit das Auge blickt. Die Katze jagt ihre Gespenster durch den Flur, unten plätschert Wasser in der Badewanne. Kurz vor dem ersten Kaffee: Ruhelose Müdigkeit und keine wirkliche Chance gegen den Lauf der inneren Uhr. Habt es mild heute. 

Früher Morgen, Gedankenlosigkeit, ein kratziger Stein in den Strümpfen, von woher auch immer. Küchenmeditation. Im Radio sinniert jemand über dreieinhalb Jahrzehnte und auch ohne genaues Zuhören wird der Kontext schnell offenkundig, nebenbei schweifen die Augen über alternde Schränke, ertappt man sich in der Frage, ob der Staub oben im Unraum der Ecken und Kanten genau so alt ist. Bewusstsein und Realität kennen die Antwort, aber für den Augenblick lenkt der Exkurs von anderen, bedrückenderen Assoziationen ab. Erster Kaffee, eine übrig gebliebene Weinbeere, in der der Geschmack des Sommers den des Herbstes gerade noch überdeckt. Nachbar schüttelt eine große Decke auf der Terrasse aus, zur Unzeit. Eine Fahrradkette rasselt und kracht, man findet laute, schlechte Worte für diesen Umstand, und insgesamt wirkt der neue Tag in manchen Belangen noch sehr fern. Habt es mild heute!

Einschlafen, Aufwachen, alte Realitäten, neue Realitäten, dazwischen unruhige Träume und danach Planungen und Bewusstwerdungen und die Frage, wie um alles in der Welt man jenem Termin noch vor der Dämmerung zustimmen konnte. Aber es hat wohl alles seine Richtigkeit. Erster Kaffee, Klangteppich in den Kopfhörern, Stoßlüften, obwohl man insgesamt eher friert. Es ergibt wohl nicht immer alles Tun Sinn, im Kleinen wie im Großen. Vages Sinnieren über Vertrauen, Egoismus, Verantwortungsbewusstsein. Auch heute nur theoretisch, auch heute ohne Erkenntnisse. (Durchatmen. Sich in den verschiedenen erforderlichen Aspekten synchronisieren. Weitergehen, gemessenen Schrittes. Habt es mild heute!)

Auch: Vom undankbaren Talent, Minuten vor dem Wecker noch einmal tief einzuschlafen, um wenig später aufzuschrecken, Schuhe und Pullover und Orientierung zu suchen, durch den dunklen Flur zu stolpern, im Bad zu landen. Atmen in der Stille, bis der eigene Puls wieder vertrauter klingt. Kaltes Wasser, das Handtuch kratzt, einige Etagen weiter unten rauscht die Dusche. Fokus auf den nächsten Handgriff, die nächste Sekunde, den nächsten Gedanken. Manchmal geschieht die Bewegung der Mechanik bewusster, vor dem ersten Kaffee. Träge und verschlafen gähnt die Stadt hinter den Dächern. Habt es mild heute!

Früher Morgen, anderer Takt, Bildschirme ladender Geräte und ein erster Kaffee, bislang wirkungslos. Zuvor: Hinterhöfe und die Stille vor all den Routinen, die hinter den alten Mauern auf ihr Zeichen warten. Ein einzelner schwerer Transporter biegt in die Kreuzung und rollt flusswärts, zieht ein Echo aus Motorenlärm und metallischem Klappern hinter sich her. Sternbilder, größer und heller als gewohnt, über schwarzen Dächern. Irgendwann erlöscht die Beleuchtung hinter den Hausfenstern, und der Moment verschwindet komplett im kalten Dunkel. Fröstelnd. Orientierungslos vor den Plänen, und noch immer halb neben sich. Habt es mild heute.