(Schließlich: Die laute, späte Natur des eigenen Viertels. Nachtvögel singen und schimpfen in den Bäumen. Die Höfe scheinen heute komplett verschieden lauten Grillen zu gehören, nebenan werfen Katzen Gläser um, gelegentlich hört man ein lautes Fauchen, dann bellt ein Hund, und schnell kehrt wieder Ruhe ein, bis der Prozess neu beginnt. Über den Dächern kleben noch Farbreste dieses Tages, in den Wohnungen gegenüber bewegen sich träge Schatten hinter ebenso trägen Vorhängen, Windlichter brennen reglos vor sich hin. Keine Musik in der Stunde, aber gerade fehlt sie nicht. Have a quiet night everyone, wherever you are.)

Und wieder: Selbstwerdung nach Phasen von Träumen, deren Dichte sich schwer abschätzen ließ, und Phasen des Wachens dazwischen, in denen tiefe Träume den tanzenden Gedanken wohl vorzuziehen gewesen wären. Sonntagsrituale der großen Stadt: Kirchglocken, plärrende Radios, kratziges Husten, das Klappern von Messern und Löffeln, vermutlich. Kaffee. Melone. Brötchen. Schatten des Sonnenaufgangs, zurückhaltend auf Fassaden der Nachbarschaft. Zu Hause in den Dingen, auch um diese Stunde. Habt es mild heute!

(Schließlich, Landabend. Dichte Stille über den Wiesen, vereinzelte Fledermäuse oder zumindest Vorstellungen davon. Ganz fern ein Feuerwerk, ein altes Moped lärmt den Weg zum Wald entlang, schiebt einen trüben Kegel aus Licht vor sich her. Gegenüber schließen ratternd die Jalousien, verstärken die Trennung zwischen Innen und Außen, und für einige Augenblicke bleibt man auf der leeren Straße stehen, fühlt die Restwärme des Freitags unter dünnen Sohlen, das gänzliche Fehlen der städtischen Vibrationen, und hängt Gedanken nach über Platz für sich, den eigenen Platz in Strukturen, Handlungsspielräume und Lebensentwürfe, während sich die Woche langsam davonschleicht.)

Auch: Wann sind die Stadtkerne ungebremstem Kommerz dargeboten worden? Wann hat sich das Selbstverständnis im Auftreten vieler zu einer Präsentation von Kaufkraft, Kaufwillen gewandelt? Was sind dort unsere Werte? Wieviel brauchen wir wirklich, und welche Folgen hat das für all jene, die davon leben? Mehr dunkle Fragen als Antworten... .

Irgendwo entlang des Tages. Der Supermarkt des geringsten Misstrauens zieht immer verschiedene Menschen an; heute treffen Mittagseinkäufer, die dem Drang des Alltags folgen, auf jene, die in den immer neonhellen, temperierten Gängen vor Sonne und Asphalthitze suchen. Wenig Kommunikation, man meidet sich. Schweiß auf Stirnen. Beeindruckend, wie sehr sich Stimmungen in Gesichtern unterscheiden können, obwohl alle dasselbe sagen. Ein älterer Herr an der Kasse zieht seinen Gürtel straff, legt die übliche Tageszeitung aufs Band, und eine Dose Whiskey-Cola; mit dem Verschwinden der Schokoriegel aus dem direkten Greifbereich sind die Substanzen der Wahl härter geworden. (Zahlen, Dinge vergessen, Hektik, Entspannung. Und dann Mut gefaßt und durch die Türe getreten.)

Nochmal am offenen Fenster: Restlicht. Räucherstäbchen. Keine Sterne. Dafür bleibt der Abend lau, die Luft von den Flusswiesen freundlich und weich. Zwei Kerle auf Fahrrädern klappern die Straße entlang, gegenüber zeichnen die bunten Bilder der Displays Konturen eines jungen Menschen nach, der in wechselnden Farben gebannt in die virtuelle Ferne starrt. (Hören auf die Schritte die Räder die Kneipenmusik die Telefonate auf einer der Terrassen. Geschichten in all dem erahnen, während immer noch Systemmeldungen über das kleine Fenster rechts oben fliegen. Bewegungen in einem engen Korridor, und dann und wann spürend, wieviel Kraft es braucht, die Bahnen eigener Gedanken hinter dessen Wände zu bekommen. Insbesondere zu vorgerückter Stunde. // Have a pleasant night wherever you are!)

Schließlich: Stadtviertel hinter halb geöffneten Fenstern. Die Nässe in der Luft kühlte ab, kondensiert auf Glas vor dem immer noch hellblauen Abendhimmel. Unten trottet eine Gruppe Jugendlicher durch die Haltestelle, jemand pfeift leise. Gegenüber auf der Terrasse flackert Licht, trotz der reglosen Bäume tönen die Glocken des Windspiels hin und wieder in zufälliger, immer harmonischer Klangfolge. Spätbus rollt über die Kreuzung, ein Motor startet. Das Beruhigende in den Abläufen und ihrer trägen Gewohnheit, so kurz am Rande der Dunkelheit.