Späte Schritte in den Morgen: Wieder zwischen der drückenden Stimmung, deutlich verschlafen zu haben, und einem unwillkürlichen Festhalten an Träumen. Die Krähen über den Höfen sind gewohnt wach und laut, unten lärmen die Kinder zwischen Küche und Bad, und der eigene Blick bleibt auf dem Fotos an der Zimmerwand hängen, nimmt einmal mehr in verstörender Klarheit wahr, wieviel Zeit seit jenen Aufnahmen flussabwärts strömte. (Bettflucht, kaltes Wasser, Straße. Wind zupft an den Haaren, Kopf ist noch übernächtigt und schwer. Zu sich finden, neben alten Fassaden. Merklich vor dem ersten Kaffee. Habt es mild heute!)

An den meisten Tagen liegt der letzte Abend noch als abgestandener, lauwarmer Hauch über allem. Manchmal duldet man dies unberührt und stoisch, und manchmal muss man alle Fenster weit aufreißen, alle Luft in einem Atemzug wechseln, beobachten, wie all die Geistergespinste sich auf dem Weg über die Häuser hin zum Fluss drehen, verwinden, zerfasern, auflösen. (Linkische Morgengymnastik im Vorübergehen, eher der Versuch, alle eigenen Teilsysteme wieder in Betrieb zu bringen, als tatsächlicher Sport. Auf dem Dach klappern Schindeln in ruppigen Böen, unten husten die Kinder, und auch die Krähen sind wieder da. Brötchen, Kaffee, Kerze, der Sonntag darf beginnen. Habt ihn mild.)

Schnell und leise wird es wieder Tag über den Hügeln. Schmutzigweißer Himmel erstreckt sich, soweit der Blick durch die dünnen Gardinen reicht. Hähne krähen, eine struppige Dorfkatze sitzt in der Wiese unter den Apfelbäumen, lauert auf Mäuse und alles, was sich im Morgen sonst noch bieten könnte. Schon viele Stunden früher ist das Feuer niedergebrannt, und inzwischen kroch genug Kälte durch die alten dünnen Mauern, um auch unter Decken frösteln zu lassen. Also kommt man wieder zu sich, sucht seine Kleidung und ein paar freundliche Gedanken für den Sonntag zusammen und stolpert dem ersten Kaffee entgegen, während draußen der Wind wieder auffrischt und die Häuser zögernd erwachen. Habt es mild heute. 

Immer wieder ging Schlaf verloren, weil sich die Aufmerksamkeit für einsetzenden Regen interessierte. Jetzt wird das Trübe wieder heller, liegt ein Kreischen und Krächzen aus vielen Schnäbeln über dem Viertel und die Nacht darf als entglitten betrachtet werden. Unten lachen schon die Kinder, Schritte hin zum Bad sind unsicher und werden erschwert durch krallenbewehrte Pfoten, die aus niedrigem Dunkel nach nackten Beinen schlagen. Harte Worte unterdrücken. Kaltes Wasser im verknitterten Gesicht. Zögernd das Hier und Jetzt sortieren. Und dann hinaus in den Morgen, auf die gewohnten frühen Wege vor dem ersten Kaffee. Habt es mild heute!

Einschlafen zwischen den Sternen, Erwachen mit der frühen Sonne. Bettflucht, innerlich und äußerlich zerzaust, übernächtigt, unsicher, wo der Abend endete und die Träume begannen. Unten klingen Kinderlieder und routinierte Schritte im Flur, auf dem Dach gegenüber warten Tauben im Schneefang darauf, dass wieder Körner vom Balkon auf den Gehweg krümeln. Der Morgen braucht ein paar Schritte in der stillen, klaren Luft, Brötchen und vor allem Kaffee. Dann ordnet sich vieles, bestimmt. Habt es mild heute!