Trainingsbedarf in der Kunst des Vergessens, hier: Dafür Sorge tragen, dass Dinge, die es doch wieder in das Licht der Aufmerksamkeit schaffen wollen, damit warten, bis es dazu auch Tageslicht zu begrüßen gibt. So bleibt der fragile Schlaf, der unstete Traum, die plötzliche Erinnerung an verschobene Themen - und Augenblicke später liegt ein Stapel von Plänen bereit, die den drängenden Fragen nahekommen und doch alle nicht funktionieren, zumindest nicht über den Effekt gestörter Ruhe hinaus. (Schrittweises Eintauchen in die frühen Rituale. Durchatmen. Der Dämmerung entgegenblicken. Und langsam wieder zu sich kommen. Habt es mild heute.)

Einige klapprige Minuten weiter ist man wieder Teil jenes Viertels, als wäre man nie anderswo gewesen, und kauft sich Brötchen, Joghurt, Obst in einer langen Schlange, in der um diese Zeit die Bürobewohner noch weitestgehend fehlen. Zwei junge Männer in Arbeitshosen diskutieren die Welt, und die resignierte Mutlosigkeit in ihren Stimmen steht in seltsamem Kontrast zu den aggressiven Sprüchen auf ihren Shirts. Aber vielleicht erkennt man auch immer nur das, was man sehen will. (Jalousien bleiben geschlossen, das Wasser ist zu warm, blockierte Lücken zwischen Terminen, das Hoffen auf Wirksamkeit und eigene Robustheit im Lauf durch den heutigen Parcour. Andauernd heiß gelaufen, immer noch keine Abkühlung.)

Dachkonstruktion und blauer Himmel, gesehen durch den Schlitz inmitten von zwei Jalousien.

📷 lost-in-moments

Die Nacht als Ringen mit dem Schlaf, der sich in der warmen Luft zwischen den Stadtbäumen versteckt, genau so schlecht fangen lässt wie Nebel, und auch darauf verzichtet, sich anzuschleichen, wenn der Körper doch Ruhe vortäuscht. Trotzdem gibt es Stunden seit dem Abend, denen keine bewusste Erinnerung gehört, und vielleicht ist das eine gute Erkenntnis. (Wasser im Gesicht. Wasser im Pott. Das Küchenfenster weit öffnen, die wenigen hellen Rechtecke in den dunklen Wänden hinter den Höfen suchen. Ein anderer Wecker quiekt, eine tiefe Stimme gähnt und schrittweise findet sich der Tag zurecht. Habt es mild heute!)

Und wieder verschmilzt jene markante Konstellation mit dem östlichen Himmel. Unstete Ruhephase, imaginäre Zeiger schalten weiter, ein Kalender zeigt einen falschen Tag und ein falsches Jahr und die kurze Sekunde gehört der Frage, ob hier nur Nachlässigkeit dominiert oder jener Rückstand, den subjektives Zeitgefühl zu messbaren Gegebenheiten aufweist. Seitenpfade des morgendlichen Irrgartens, ebenso nutzlos wie ohne Aussicht auf brauchbare Einsichten. Aber womöglich ist dieser Anspruch an diesem Punkt des Tages noch unerreichbarer als sonst ohnehin schon. Kaffee, Dehnen, Strecken, halbherzig, gegen die Last konfuser Träume und all die Dinge, die man sich besser dort als hier wünschte. Habt es mild heute. 

Einmal mehr, viel zu früh und viel zu nackt, um sich dem Morgen schon stellen zu können. Also sucht man nach Kleidung, Ideen und Hirngespinsten, die eigenen Blößen zu bedecken, verzieht sich in die noch verbliebene Dunkelheit des Bades und zeigt sich der Welt erst wieder, wenn das Spiegelbild halbwegs vertraut und weniger schreckend wirkt. Und dann Kaffee, unter dem Sonnenaufgang. Laute Vögel, uninspirierte Musik, aber Marmelade aus dem Süden und manchmal schwingt etwas Sanftes schon in einer anderen Sprache auf einem bunten Etikett. Habt es mild heute.