Nach der Nacht. Oder nach dem, was Nacht hätte sein können, wenn die Zeit freundlicher damit umgegangen wäre. Verschlafene Leere verschlafene Stille und die Klänge der eigenen Küchengeräte, erschreckend laut und trotzdem irgendwie fern. Frühstück in Minimalprogramm, über den Höfen singen die Vögel. Selbst fehlen noch jegliche Lieder, aber vielleicht finden sich zumindest Melodien entlang der Schritte über eigene und andere Straßen. Noch nicht ganz aufgebrochen, noch nicht ganz da. Habt es mild heute.
Die Nacht gehörte den Kreaturen der Hinterhöfe, die ihren Weg durch Schlaf und Träume fanden, Ruhe vor sich her trieben, Bilder malten und Worte schrieben, die vergessen gingen, aber trotzdem nachhallen. Vorsichtiger Blickkontakt mit dem Selbst, die Rasur am Wochenende vergessen, sich trotzdem noch irgendwie erkennen. Gespräche über das Gestern und Heute, so nah am ersten Kaffee. Noch viel zu früh, um über Form auch nur nachzudenken. Habt es mild heute!
(Das Bett verlassen, Räume durchstreifen, desorientiert. Die Seele irrt noch halb durch den Schlaf, eine Balkontür öffnet, Tassen klappern. Andere Nachbarn haben eine andere anstrengende Radiostation entdeckt, die Katze einen anderen unangemessenen Platz, die Nacht zu verbringen. Gähnen und Seufzen in einem. Es braucht Kaffee, Obst und die Leere der frühen Stunde, um in den Tag zu finden, ihm die richtige Tiefe zu geben. Habt es mild heute.)
Aufwachen, Aufstehen, erste Schritte über alte Fußböden und kalte Treppen. Noch ohne Schatten, vorsichtig in jeder Bewegung, als könnte der kleinste Ton einer knarrenden Stufe oder quietschenden Diele die ganze Welt wecken. Fenster ostwärts, heller Horizont. Die Dorfkatzen scheinen andere Routen gefunden zu haben. Eine Schar von Vögeln tummelt sich unter immergrüner Vegetation. Grobe Form herstellen. Die verschiedenen Enden der eigenen körperlichen Realität wieder erfühlen. Genügend Plan für einen halben Tag, der Rest darf sich gern finden, wenn es an der Zeit ist. Habt es mild heute!
(Faltiges knittriges Selbst im wieder heller werdenden Licht, während der Abspann des letzten Traumes noch läuft und man unschlüssig ist, ob man bis zur Widmung und abschließenden Jahreszahl warten möchte. Halbkaltes Wasser auf Haut, die sich schlaftaub anfühlt. Borsten zurecht streichen, durch das eigene Spiegelbild hindurch schauen und lauschen, ob schon irgendwo anders irgendwelche Duschen klappern. Aber das Haus liegt noch in tiefer Ruhe. Es ist Freitag, viel zu früh, und die Welt vor dem ersten Kaffee zeigt ihre Gedanken nur sehr sehr zögerlich. Habt es mild heute!)