Manchmal erschließt man sich auch nach Jahren noch neue Viertel unweit des eigenen: Im Betonquartier leben die Kontraste zwischen Terrassen, auf denen in fast tagheller Beleuchtung Schneemann und Rentier um die Wette blinken, und finsteren Balkonen, schmutzigen Fenstern, verschlissenen Gardinen, die es nicht schaffen, die trübe Stimmung in den Räumen dahinter einzuschließen. Vor der Kneipe an der Ecke stehen zwei Campingtische, von denen Stollen und Glühwein an Vorüberziehende verkauft wird, aber bis auf den festen Kreis der Anwohner scheint hier niemand vorüberzuziehen, und der süßliche Kitsch viel zu lauter deutschsprachiger Weihnachtsschlager schafft wohl zusätzlichen Abstand. Kleine Stadtbäckerei gegenüber, es duftet nach Brot und Brötchen und selbstverständlich backt man mit belebtem Wasser, aber man verstrickt sich in freundliche Kommunikation, kauft mehr, als man braucht, und zieht irgendwann weiter. Der Abend beginnt.