Navigation zu Fixpunkten, entlang von Tagen, Wochen. Routiniertes Innehalten in Momenten, in denen der Takt kurz aussetzt und Blicke durch das Universum jenseits des Tunnels streifen. Freitagabend. Neue Kerzen in alte Leuchter stecken. Nachbarn lachen im Hinterhof, es duftet nach Rauch und von den alten Steinmauern eingeschlossenem Frühling, der in das hohe kalte Firmament der Nacht fliehen möchte. Das Klavier ist verstaubt, Töne fügen sich nur zögernd, für Noten bringt das Bewusstsein keine Konzentration mehr auf. Leben in Texten verschiebt sich zwischen die Zeilen, auf der Baustelle brummt ein schweres Aggregat. Sterne erwachen über den Giebeln.
Der späte Tee kühlt am Fenster. Auch um die zweite Dämmerung blieb der Tag grau, trüb, unentschlossen, kühlte aus, flirtete wieder mehr mit dem Winter, auch wenn die Blüten an Sträuchern und Büschen andere Stimmungen malen wollen. Auf einem Balkon hinter den Häusern streitet man, gegenüber strahlt wieder grell jene schmucklose Lampe, die jene schmucklose Wohnung manchmal bis in den frühen Morgen ununterbrochen zu erhellen versucht, mit vermutlich mäßigem Erfolg. (Mäßiger Erfolg, auch: Ringen mit Liegengebliebenem, schlechten Angewohnheiten, schlechtem Gewissen und der eigenen Programmierung. Oft noch schwerer zu erreichen als jener Code, aus dem man in den bewussteren Stunden Fehler zu bürsten versucht. Über Inselsteine streichen. Und versuchen, die Wellen darin zu erahnen, während Schlaf um das Viertel schleicht zusammen mit Nachbars ruhelosen Hunden.)
Und dann ist der Abend Aufräumen. Blick über die Warteschlangen, die sich unterwegs gut gefüllt haben. Blick auf die eigenen Notizen, eher zittrige Symbole als wirkliche Schrift, flüchtig zwischen den Minuten dem Lauf der Zeit entrissen. Blick auf Wünsche und Möglichkeiten und die unklare Differenz zwischen beidem. Blick über die Nachbarschaft, die heute keine wirklichen Bilder, keine Impulse liefern möchte. (Nebenan quietschen Schritte. Ein Glas bricht, harte Worte schlagen gegen die Wand. Puls in den Schläfen. Und kaum noch Struktur in den Dingen.)
Wieder zwischen den Hügeln, in der Dämmerung. Auf dem Dorfplatz spielt lärmend die nächste Generation. Hier, wo die Häuser in Jahrhunderten und die Autos in Jahrzehnten altern, riecht es bei warmem Wetter nach Erde, Wiese, Scheune, und an kalten Abenden nach Kohle und Holz in Rauchschwaden, die träge waldwärts ziehen. (Und dann und wann spürt man, was das Leben hier, vielleicht überhaupt, ausmacht. Legt daneben, was man ist und kann. Und fühlt sich sehr klein.)
Man sinkt schnell wieder in die andere Realität. Fast zu schnell. Vieles hat sich verändert, manches ist abgegriffen und im Wetter verblasst. Aber genug blieb vertraut. Grau treiben Wolkenwelten über die schäumende See, der Wind streicht Gischt und Sand auf die Haut, und irgendwann fliegen viele Gedanken davon, während man den Geschichten lauscht, die zurückweichende Wellen in den Steinen flüstern. (Und keine Erwiderung weiß, nichts zu berichten vermag, was hier draußen Bedeutung hätte.)